Wermelskirchen "Zwischen Wehmut und Vorfreude"

Wermelskirchen · Bürgermeister Eric Weik über die letzten Wochen seiner Amtszeit in Wermelskirchen, die hohe Verantwortung als Rathaus-Chef, den Umgang mit Kritik, die Zeit des Wahlkampfs, und die Vorfreude auf den neuen Job bei der IHK in Bochum.

 Bürgermeister Erik Weik im Interview mit unserer Redaktion.

Bürgermeister Erik Weik im Interview mit unserer Redaktion.

Foto: Hertgen, Nico

Der Abschied naht, am 13. September wird Ihr Nachfolger gewählt. Wie ist Ihre aktuelle Gefühlslage - Wehmut oder Vorfreude?

Weik Ich muss gestehen, dass zurzeit die Vorfreude auf das, was ab dem 1. November kommt, etwas überwiegt. Ich hatte meine Entscheidung ja bereits im Februar verkündet, da war der Abschied noch sehr weit weg, ein wenig Abschiedsstimmung kommt aber so langsam schon auf. Am Montag habe ich die vorletzte Ratssitzung geleitet, da wird man schon etwas wehmütig. Ich habe elf spannende Jahre in Wermelskirchen verbracht - in dieser Zeit habe ich viel Herzblut investiert.

Es gab viele positive Reaktionen nach Ihrer Entscheidung, sich beruflich zu verändern.

Weik Das stimmt. Und ich war angenehm überrascht über die positiven Rückmeldungen von allen Seiten. Letztlich war der Großteil der Menschen mit meiner Arbeit doch ganz zufrieden.

Wie nimmt ein Bürgermeister Kritik der Menschen wahr?

Weik Als Bürgermeister braucht man ein dickes Fell, man darf nicht alles an sich heranlassen. Ein Amtskollege hat es mal so formuliert: Ein Bürgermeister ist wie ein Baum, der auf dem Marktplatz steht und an den jeder pinkeln darf - das ist leider ein sehr zutreffendes Bild. Die Art und Weise, wie viele Menschen mit Stadtoberhäuptern umgehen, ist schlimm. Viele sind sich nicht bewusst, dass der Bürgermeister ein Mensch ist, der das Beste für die Stadt und ihre Bürger erreichen will. Daher hatte ich nicht damit gerechnet, dass die Reaktionen so positiv ausfallen würden. Dieses Echo auf meine Arbeit hat mich sehr gefreut. Viele Menschen haben Verständnis, dass ich mit 44 Jahren noch einmal etwas anderes machen möchte im Berufsleben. Es ist auch gut, wenn es an der Spitze der Verwaltung und des Stadtrates nach elf Jahren einen Wechsel gibt.

Wie würden Sie sich selbst als Bürgermeister beschreiben?

Weik Ich war immer ein streitbarer Mensch, habe nicht zu allem Ja und Amen gesagt. Viele Mitglieder des Stadtrates hätten sich einen Bürgermeister gewünscht, der keine eigene Position hat und der besser zu steuern gewesen wäre. Ich war nie ein Bürgermeister des Stadtrates, sondern habe meine Arbeit nach den Bürgern, die mich gewählt haben, ausgerichtet. Ich denke, dass es für Wermelskirchen am Ende der richtige Weg war.

Wie fällt Ihr Rückblick auf die Zeit seit 2004 aus?

Weik Wenn jemand rückblickend sagt, dass alles super war, ist das gelogen. In den vergangenen Jahren lief bei weitem nicht alles perfekt. Insgesamt ziehe ich aber eine positive Bilanz. Ich habe viele beeindruckende Dinge - positiv wie negativ - erlebt. Das ist für mich viel wert. Viele dieser Dinge erlebt man fast nur in diesem Job, das ist ein Geschenk.

Zum Beispiel?

Weik Als Bürgermeister beschäftigt man sich mit so vielen verschiedenen Dingen - mit menschlichen Einzelschicksalen, mit großen Bauprojekten, mit Zahlen. Ich weiß zum Beispiel, wie der Bau einer Straße technisch funktioniert, und ich weiß, wie man ein pädagogisches Konzept für einen Kindergarten erstellt. Die Bandbreite des "Konzerns Stadt" ist unfassbar groß. Ich habe in den vergangenen Jahren extrem viel gelernt - auch aus schlechten Dingen und Rückschlägen.

Ein Rückschlag war sicherlich die "Naturwelt Wermelskirchen", ein Projekt, für das Sie sich stark gemacht hatten...

Weik ...und das ich gerne umgesetzt hätte. Ich bedauere es bis heute, dass ich es nicht geschafft habe, den Stadtrat von dieser Idee zu überzeugen. Das Projekt hätte viele Arbeitsplätze geschaffen und viele Menschen nach Wermelskirchen gelockt. Es ist schade, dass es nicht geklappt hat.

Wie gehen Sie mit der hohen Verantwortung in Ihren Job um?

Weik Als Bürgermeister trägt man eine extrem hohe Verantwortung, man ist ständigem Druck ausgesetzt. Das Amt ist etwas ganz Großes, das sich nur schwer beschreiben lässt. Das habe ich bereits bei meinem ersten Abend im Amt im Jahr 2004 gemerkt. Ich hatte gerade meine Ernennungsurkunde erhalten, da prasselten schon etliche Anfragen von allen Seiten auf mich ein. Ich musste erst einmal lernen, damit umzugehen. Da wurde mir schnell bewusst, was diesen Job so besonders macht.

Waren der Druck und die Verantwortung auch ein Grund für Ihre Entscheidung, einen anderen beruflichen Weg einzuschlagen?

Weik Nein. Der Hauptgrund war, dass ich noch einmal etwas Anderes machen wollte. Der Zeitpunkt dafür ist jetzt richtig. Ich wollte nicht bis zum Ende meines Berufslebens Bürgermeister bleiben. Es ist gut, wenn jetzt ein neuer Rathaus-Chef kommt, der seine Ideen einbringt und seinen eigenen Führungsstil hat. Die Belastung in meinem neuen Job wird nicht geringer sein. Ich habe diese Aufgabe nicht gesucht, weil ich mich ausruhen möchte, sondern weil ich noch sehr viel bewegen möchte.

Wie schaffen Sie es, nach Feierabend zu Hause Abstand zu gewinnen?

Weik Eigentlich ist man 24 Stunden am Tag Bürgermeister - zudem ist man durch die neuen Medien ständig online. Ich habe das zuletzt etwas reduziert - wenn ich jetzt mal einen Tag lang zu Hause keine beruflichen E-Mails lese, ist das viel. Als Bürgermeister muss ich auch im Urlaub für bestimmte Mitarbeiter ständig erreichbar sein - schließlich muss ich am Ende die Entscheidung treffen. Man muss sich bewusst machen, dass man im Amt ist, sobald man den Fuß vor die Tür setzt. Man wird ständig beobachtet und bewertet, das kann sehr belastend sein.

Wie oft werden dabei Grenzen überschritten?

Weik Das kommt leider häufig vor. Ich wurde schon mehrmals als Gast einer privaten Geburtstagsfeier um 23 Uhr an der Theke auf eine Baugenehmigung angesprochen - das muss wirklich nicht sein.

Wird sich das in Zukunft ändern?

Weik Ich denke schon. Zwar werde ich auch als IHK-Hauptgeschäftsführer eine öffentliche Person sein, aber der Fokus ist ein anderer. In Bochum kann ich abends unerkannt durch die Stadt gehen.

Wie sehr sind Sie in die Abläufe des neuen Jobs bereits integriert?

Weik Der Hauptfokus liegt noch klar auf dem Amt des Bürgermeisters. Ich versuche aber bereits jetzt, mich nebenher in den neuen Job einzuarbeiten, wichtige Mitarbeiter und Abläufe kennenzulernen.

Wie nehmen Sie den Wahlkampf in Wermelskirchen wahr?

Weik Ich halte mich zurück. Meine Aufgabe ist es, als Bürgermeister die angestoßenen Projekte abzuschließen oder bestmöglich an meinen Nachfolger zu übergeben. Aber ich setze jetzt keine neuen Akzente mehr und stoße auch keine Projekte mehr an. Daher habe ich auch etwas den Rücken frei, um mich auf die neue Herausforderung vorzubereiten.

Sind Sie froh, dass Sie den Wahlkampf nicht noch einmal auf sich nehmen müssen?

Weik Ja, denn Wahlkampf ist eine große Belastung über mehrere Monate. Das ist wie ein siebenmonatiges Bewerbungsgespräch, positiver und negativer Stress, teilweise sehr belastend. Da bin ich froh, dass ich da jetzt nicht mitmischen muss.

Welche Projekte in Wermelskirchen stechen für Sie positiv hervor?

Weik Wichtig war, dass der Busbahnhof als Abschluss des Innenstadtumbaus in diesem Jahr erfolgt. Die Kanalarbeiten haben Anfang der Woche begonnen, der Umbau beginnt am 24. August. Außerdem war es wichtig, dass das Kapitel "Kölner Straße" jetzt endgültig beendet werden konnte. Für die betroffenen Händler und Anwohner war es noch mal eine schlimme Belastung. Und bei der Rathausfassade bleibt das Ziel, bis zum 23. Dezember fertig zu werden. Momentan sind wir guter Dinge, dass es klappt.

Wie bewerten Sie die Innenstadt im Vergleich zu 2004, als Sie neu nach Wermelskirchen kamen?

Weik Die Innenstadt hat heute eine viel höhere Aufenthaltsqualität. So einen Umbau stemmt eine Stadt wie Wermelskirchen einmal alle 100 Jahre - dass dabei auch einige Dinge schief gehen, wundert mich nicht.

Welche Themen stehen Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren im Mittelpunkt?

Weik Einer meiner größten Verdienste ist die niedrige Arbeitslosenzahl in Wermelskirchen - die niedrigste im gesamten Kreis. Da muss man dranbleiben. Ich denke aber, dass Rat und Verwaltung nach dem Abschluss des Innenstadtumbaus noch einmal alle Bereiche der neuen Innenstadt überprüfen und gegebenenfalls nachjustieren sollten.

Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?

Weik Ein Beispiel: Bei der Planung des Innenstadtumbaus hat man damals schlichtweg die Radfahrer vergessen. Da muss man nachbessern, denn Radfahrer gehören heutzutage einfach dazu. Auch beim Thema Parkplätze in der Innenstadt gibt es Verbesserungspotenzial. Und zuletzt die Lenkung des Verkehrs durch die Stadt, zum Beispiel der Durchgangsverkehr auf der Telegrafenstraße. Und wenn auf dem Loches-Platz ein Supermarkt gebaut wird, dann sollte man wenigstens eine intelligente Kombination mit anderen Angeboten anstreben, die mitten in die Stadt gehören. Schön wäre auch, wenn die Telegrafenpassage besser funktionieren würde. Insgesamt können wir uns mit unserer Innenstadt und dem Einzelhandel aber in der Region gut sehen lassen.

Wie wird sich das DOC in Lennep auf Wermelskirchen auswirken?

Weik Ich habe immer gesagt, dass man Veränderungen als Chance sehen sollte. Die Bergischen machen sich zunächst immer Sorgen, wenn sich etwas verändert. Am liebsten wäre mir natürlich, wenn das DOC in Wermelskirchen eröffnen würde. Das haben wir aber nicht geschafft, obwohl wir viele Gespräche geführt und auch schon einige Standorte besichtigt hatten. Letztlich fehlt in Wermelskirchen die Fläche für solch ein Outlet-Center. Das DOC wird Menschen aus der ganzen Welt ins Bergische locken - und davon wird auch Wermelskirchen profitieren.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Weik Ich wünsche ihm Glück. Denn ein Bürgermeister muss viele seiner Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen, da braucht man auch etwas Glück. Und mein Nachfolger sollte nicht jede ungerechtfertigte Kritik an sich heranlassen.

Wohnen Sie auch in Zukunft in Wermelskirchen?

Weik Nein. Ich habe mit meiner Familie entschieden, dass wir uns ganz auf meine neue Aufgabe einlassen. Und dazu gehört, dass ich dort leben will, wo ich arbeite. Wir sind bereits Anfang der Sommerferien nach Bochum gezogen, ich pendle bereits zur Arbeit nach Wermelskirchen.

Was werden Sie an Wermelskirchen am meisten vermissen?

Weik Definitiv die Mitarbeiter im Rathaus. Zu vielen hat sich in den vergangenen Jahren eine besondere Beziehung entwickelt. Auch die Kirmes ist ein emotionales Thema, es wird aber auch mal schön sein, wenn ich beim Fassanstich als Privatmann mit meinen Kindern dabei sein und dann ein Glas Bier genießen kann. Ich werde nicht aus der Welt sein und immer wieder nach Wermelskirchen kommen.

Wann ist Ihr letzter Arbeitstag im Rathaus?

Weik Bis zum 20. Oktober bin ich noch verantwortlich, am 21. Oktober übernimmt mein Nachfolger.

Um welche Schwerpunkte kümmern Sie sich bei der IHK?

Weik Das Thema Ausbildung ist ein Schwerpunkt. Wir brauchen Ausbildungsplätze, und darum werde ich mich kümmern. Zudem sind wir die Stimme der Wirtschaft im Ruhrgebiet. Wir sind die Berater der Menschen bei wirtschaftlichen Fragen. Die wirtschaftliche Kompetenz einer Region bündelt sich in der IHK. Ich bin verantwortlich für 30 000 Unternehmen, die mich auch beraten. Meine Aufgabe ist es, die Stimmen der Firmen zu bündeln und diese zum Beispiel gegenüber Politik und Verwaltungen zu vertreten. Die Entwicklung des Opel-Geländes ist ein weiteres wichtiges Projekt für die Zukunft. Die Region hat großes Potenzial. Ich freue mich auf diese Herausforderung und bin dankbar, dass ich bei dieser Entwicklung dabei sein darf.

Sebastian Radermacher führte das Gespräch.

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