Hamminkeln 1400 Flüchtlinge bis Jahresende erwartet

Hamminkeln · Die SPD Hamminkeln hatte zum Neujahrsempfang geladen. Das Thema Flüchtlinge nahm einen breiten Raum ein.

 Voll war der Saal der Gaststätte Hoffmann in Dingden beim SPD-Neujahrsempfang.

Voll war der Saal der Gaststätte Hoffmann in Dingden beim SPD-Neujahrsempfang.

Foto: Markus Joosten

Dass die Zeit wie im Flug vergeht, zeigte sich gestern in mehrfacher Hinsicht: Ein Jahr ist vergangen, seit die SPD ihren Kandidaten für die Kommunalwahl nominierte - jetzt stand Bernd Romanski als Hamminkelns erster SPD-Bürgermeister und Festredner vor den Genossen im vollen Saal der Gaststätte Hoffmann in Dingden. Ein Interesse, das sich auf den Straßen des sonst eher beschaulichen Ortes niederschlug. Die Gäste des Neujahrsempfangs kurvten teils ausgiebig herum, bis sie einen freien Parkplatz ergattern konnten.

Narzissen-Töpfe und SPD-Fahnen auf den Tischen, dazwischen lag Traubenzucker - vielleicht ein Appell zum Durchhalten in politisch schweren Zeiten. Bruno Lipkowsky als Chef des SPD-Stadtverbandes erklomm das Rednerpult. Gut gelaunt begrüßte er die Anwesenden. "Früher hieß es bei Familientreffen ,was ist der Junge groß geworden'. Das sagt heute keiner mehr zu mir." Dafür beweise der Auftritt Romanskis, wie schnell die vergangenen Monate verflogen seien.

Für den flotten Zeitenwandel stand gestern auch der jüngste Gast im Saal. Anton, Lipkowskys Enkel, sechs Monate. Wider aller Ankündigung der Eltern war er zu Beginn der Veranstaltung noch nicht erschienen, wunderte sich Lipkowsky. "Er hat eben seinen eigenen Kopf. Aber das hat bei der SPD ja Tradition."

Bevor ihm Romanski als Redner Recht gab, gehörte die Bühne anderen. Eine lange Liste hatte sich angekündigt, darunter Landrat Ansgar Müller und René Schneider als Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Kreis Wesel. Doch erst machte SPD-Bundestagsmitglied Hans-Ulrich Krüger die weltpolitische Lage zum Thema, die durch die Flüchtlingsproblematik bis Hamminkeln spürbar sei. "Wie werden wir der Aufgabe gerecht, in Deutschland eine Million Flüchtlinge unterzubringen?", fragte er mehr rhetorisch in den Saal. Ein Appell an die Europäische Union, deren Mitglieder nicht alle an einem Strang zögen.

"Ob Entscheidungen des Bundes etwas taugen, zeigt sich in den Städten und Gemeinden", zitierte Landtagsabgeordneter Norbert Meesters Johannes Rau. Er versicherte den Genossen, die Landeszuweisungen für die Flüchtlingsbetreuung fließen, würden angesichts neuer Berechnungen auch aufgestockt.

Nach einem Lob für Romanskis Start und der Hoffnung, die Anzahl der SPD-Ratsmandate 2020 aufstocken zu können, übergab Hamminkelns SPD-Chef Jörg Adams an den neuen Ersten Bürger. Romanski dankte der Familie und den Vertretern von FDP, USD und Pro Mittelstand für ihre Wahlkampfunterstützung; dann sandte er deutliche Worte an die SPD-Landesregierung. Kurz streifte er die Debatte über die Raiffeisenstraße und zeigte sich bestürzt über die Rekord-Neuverschuldung, deren Bekanntgabe eine seiner ersten Amtshandlungen gewesen sei. Gegenzurechnen seien hier aber die Kosten für die Unterkünfte für Flüchtlinge, sagte er. Und mit Blick auf Meesters: "Die Landesmittel werden an dieser Stelle nicht reichen." Klar sprach er sich gegen die Festlegung von Aufnahmezahlen und das Schließen von Grenzen aus, verwies auf Gesetze, die eine Aufnahme vorschrieben und die man einhalten müsse, prangerte eine "Desorientierung der politischen Elite" an: "Die aktuelle Situation war absehbar."

"Hier geht es um Menschlichkeit", machte Romanski klar, dankte allen Flüchtlingshelfern und steckte seine Marschroute fest: das Schaffen von Wohnraum in allen Ortsteilen, Integrationsarbeit mit Hilfe der Vereine, Transparenz, etwa durch Info-Veranstaltungen für die Bevölkerung. "Alles andere bringt nichts." 1400 Flüchtlinge erwarte er bis Ende 2016.

40 Jahre in der SPD gäben ihm das Recht zu Kommentaren, die jenseits der Parteilinie lägen, sagte Romanski. Mit Blick auf Land und Bund frage er sich bisweilen, "wofür wir als SPD heute stehen". Er habe sich vorgenommen, immer seine Meinung zu sagen. "Wenn der Klügere immer nachgibt, regieren irgendwann die Dummen", habe ihm sein Vater mitgegeben. In diesem Moment hörte man ein Quietschen. Der kleine Anton war eingetroffen - und offenbar derselben Meinung.

(kui)
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