Abschied vom Haustier Hinter den Kulissen eines Krematoriums für Tiere

Wesel · Tierbesitzer aus ganz Deutschland reisen an, um ihrem Haustier einen würdigen Abschied zu erweisen. Das Tier-Krematorium in Wesel war eines der ersten in Deutschland. Wir haben einen Blick hinter die Kulissen geworfen.

 An einer Wand hängen Botschaften an die verstorbenen Tiere.

An einer Wand hängen Botschaften an die verstorbenen Tiere.

Foto: Martin Büttner

Das Paar aus der Nähe von Trier fährt mit dem Auto vor. Es kommt bereits das dritte Mal nach Lackhausen. Im Kofferraum liegt in einer Decke eingewickelt ein toter Hund. Mitarbeiter Marcel Weienberg ist schnell, sanft und sorgfältig zur Stelle. Er begrüßt das Paar, fährt die Trage vor, darauf ein dunkelbraunes Liegekissen, ein Blumenstrauß, ein verständiger Blick. Der Besitzer hievt den Hund aus dem Kofferraum, bettet ihn vorsichtig auf dem Lederkissen und rollt ihn davon.

16.000 Einäscherungen im Jahr

 In Wesel kann man das Haustier bis zum Brennofen begleiten. Etwa die Hälfte der Besitzer entscheidet sich dafür.

In Wesel kann man das Haustier bis zum Brennofen begleiten. Etwa die Hälfte der Besitzer entscheidet sich dafür.

Foto: Martin Büttner

Eine halbe Stunde nimmt sich das Paar, um Abschied zu nehmen. Von ihrem geliebten Tier, ihrem Begleiter, ihrem Freund, für immer. Die Hundehalter haben sich für eine Einäscherung entschieden. Rund 16.000 Einäscherungen vollzieht die Firma Cremare im Jahr. Im ersten Jahr waren es gerade mal 100. Etwa 250 Euro kostet eine Einäscherung im Schnitt. Das Gewicht des Tieres bestimmt den Preis.

Gründer Frans Evers ist Tierarzt - und Holländer. In den Niederlanden sei Tierverbrennung schon viel länger erlaubt gewesen, sagt Frans Evers. Dem niederländischen Selbstverständnis nach sieht man dort so manches schließlich ein wenig lockerer. "Gesetze lassen sich ausweiten", sagt der 56-Jährige. Dass die von ihm gegründete Firma weiterhin expandiert, verdankt der Unternehmer auch dieser Philosophie. "Ich habe 13 Jahre lang gekämpft", sagt Evers. 1996 hat er seine Firma gegründet, zunächst die Tiere von Deutschland in die Niederlande gebracht. "Damals war ich der bekloppte Holländer." Erst 2005 bekam er die Genehmigung, das Krematorium in Wesel zu eröffnen. Als einer der Ersten. Viele folgten ihm. Das Geschäft mit dem Haustier ist ein gutes - auch über das Leben hinaus.

 Frans Evers hat für sein Ziel gekämpft. Die Asche der Tiere können die Halter auch mit nach Hause nehmen.

Frans Evers hat für sein Ziel gekämpft. Die Asche der Tiere können die Halter auch mit nach Hause nehmen.

Foto: Martin Büttner

Warmes Licht und Klaviermusik

Im Abschiedsraum liegt ein Gästebuch aus, im Wandregal stehen Urnen. Modell Melani, grau-weiß meliert, kostet 139 Euro. Warmes Licht, unaufgeregte Klaviermusik. "Hallo mein Mäuschen!", schreibt eine Hundebesitzerin im Gästebuch. "Du bist nun erlöst und kannst im Hundehimmel so viel Wässerchen trinken, wie du möchtest. Schlaf gut und leb wohl, geliebte kleine Ronja." Liebevoll, andächtig, würdevoll. Aus einem Lautsprecher quaken Frösche dazu.

Tier-Krematorium in Wesel - ein Blick hinter die Kulissen
Foto: Martin Büttner

14 Angestellte arbeiten in Wesel und Hamburg, wo Frans Evers 2009 eine zweite Niederlassung eröffnet hat. Seit August auch eine in Bayern. "Manche Menschen leben 15 Jahre nur mit ihrem Tier", sagt Frans Evers, "Haustiere sind heute mehr als nur ein Kinderersatz." Mitarbeiter Marcel Weienberg ergänzt: "Oder Partnerersatz. Junge Menschen suchen sich etwa einen besonders sportlichen Hund und richten ihre gesamte Freizeit nach dem Tier aus." Marcel Weienberg arbeitet seit zehn Jahren im Krematorium. "Ich habe schon viele Fotoalben durchgeblättert", erzählt der 33-jährige Weseler. Bei ihm lassen die Tierhalter ihre Geschichten. "Ein Mann hat erst seine Frau, dann seinen Sohn und dann auch noch den Hund verloren. Der Letzte, der da war", erzählt er. "Oder der Junge", ergänzt Evers. "Sein Hund hat ihm mit vier Jahren das Leben gerettet, als er in den Gartenteich gefallen war, und dann ist der Lebensretter plötzlich tot."

Besitzer können Asche mitnehmen

Die wenigsten Tierhalter bringen ihr Tier selbst ins Krematorium. "Etwa fünf Prozent", sagt Frans Evers. Aber immerhin die Hälfte von ihnen entscheidet sich, ihr Tier auch bis zum Brennofen zu begleiten. "Wir bereiten die Halter sehr intensiv darauf vor", sagt der Tierarzt. "Wir zeigen ihnen den Ofen. Wir sagen, dass das Tier sofort in Flammen aufgeht." Die Asche können die Besitzer mit nach Hause nehmen - oder im Garten verstreuen.

Stammkunden kommen aus Berlin und München nach Wesel. "Früher gab es nur uns", sagt Frans Evers. Eine Bestattung ist eben auch ein Ritual. Und das Ritual hilft, den Tod zu akzeptieren. Die immer gleiche Routine, mit der der Tod in das Leben trifft. "Tod und Leben gehören nebeneinander", sagt Frans Evers. Dass er das pragmatisch sieht, zeigt auch die Lage seiner Anlage: In Lackhausen liegen Tierheim, Tierkrematorium und Tier-Hotel in direkter Nachbarschaft. Wer dort einen Hund verabschiedet, hört links die Hotelurlauber kläffen und rechts die, die keiner haben will.

Eine Tier-Verbrennung dauert etwa zwei Stunden. "In der Zeit gehen die Besitzer meist spazieren", erzählt Evers. Das Tierheim besuchen, einen Blick auf das Leben werfen. "Manchmal kommen sie später wieder und nehmen einen Hund mit." Seinen Beruf macht Frans Evers gerne. "Die Menschen sind dankbar, dass es uns gibt." Ein Haustier ist eben so viel mehr. Oder mit Loriot: Ein Leben ohne ist möglich, aber sinnlos.

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