Wesel Ärger um "Wegschickpauschale" für Notaufnahmen

Wesel · Statt zum Hausarzt, in die Klinik: Das füllt Ambulanzen. Seit dem 1. April wird gegengesteuert, was aber auf Kritik stößt.

 Die neue zentrale Aufnahme des Evangelischen Krankenhauses

Die neue zentrale Aufnahme des Evangelischen Krankenhauses

Foto: evk

Wer sich mitten in der Nacht den Arm bricht, gehört in eine Notaufnahme. Akutes Nierenversagen? Verdacht auf Schlaganfall? Keine Frage: Hier ist eine Klinik angesagt. Schnupfen, Husten, Heiserkeit? Eher nicht. Auch mit Zahnweh sind schon Leute in die Ambulanz gerannt. Was aber ist ein echter Notfall? Und: Wie wird das abgerechnet, wenn es keiner ist? Letzteres wird derzeit bundesweit kontrovers diskutiert. Auch die beiden Weseler Kliniken leiden seit einiger Zeit an Überfüllung ihrer Notaufnahmen. Statt den Hausarzt aufzusuchen, gehen die Leute lieber gleich in die Ambulanz. "Denn da ist ja immer jemand. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr", beschreibt Rainer Rabsahl, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses Wesel (EVK), das Denken vieler Patienten. Abweisen will er niemanden, obwohl er es seit Samstag tun soll.

Seit dem 1. April gilt eine sogenannte Abklärungspauschale. Die beträgt 4,74 Euro und wird den Kliniken von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) pro Notaufnahme-Patient gezahlt. Ist es ein Notfall, werden weitere Leistungen erstattet. Ist es keiner, bleibt's bei den besagten 4,74 Euro. "Die sind weg, bevor ein Arzt da war. Schon allein wegen des Verwaltungsaufwandes", sagt Rabsahl, der das Entgelt "Wegschickpauschale" nennt. Denn zum Schutz der niedergelassenen Ärzte, denen Bagatellfälle beziehungsweise leichtere, nicht unbedingt stationär zu behandelnde Erkrankungen entgehen, sollen die Kliniken solche jetzt schneller abweisen.

Trotzdem, so sagt Rabsahl, werde jeder Patient nicht nur angeguckt. Es werde ihm im EVK auch weiterhin geholfen. Auch, weil man es den Mitarbeitern nicht zumuten könne, sich mit den Patienten über eine Abweisung auseinanderzusetzen. "Was sollen wir machen? Den Leuten ein Faltblatt mit Erklärungen geben? Das ist weltfremd", sagt Rabsahl. Im Marien-Hospital, als innerstädtische Klinik für viele ein Anlaufpunkt, sieht Geschäftsführer Dr. Dieter Morlock es nicht anders. Er spricht von rund 25.000 Erstkontakten im Jahr. Schon weil der Arzt persönlich hafte, könne niemand nach einer zweiminütigen Begutachtung weggeschickt werden. Zuständig für die ambulante Versorgung sei die KV. Die Politik, so Morlock weiter, sei aufgefordert, einheitliche Regelungen zu schaffen. Das Hospital würde, sicher auch in Zusammenarbeit mit dem EVK, mietfrei Räume für eine Notfallpraxis zur Verfügung stellen - und auch eine Arzthelferin. "Aber niedergelassene Ärzte müssten dann schon kommen", sagte Morlock.

(RP)
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