Wesel Agrarforum: Die Bauern und das Image

Wesel · Ob es um die künftigen EU-Mittel geht, um die Gunst der Kunden oder um die generelle Akzeptanz in der Gesellschaft: Die Landwirtschaft ist zur Überzeugungsarbeit aufgefordert. Das wurde beim Agrarforum der Volksbank deutlich.

 Heimspiel für Staatssekretär Heinrich Bottermann (r.) vor rund 160 Gästen - darunter seine Tochter, CDU-Landtagsabgeordnete Charlotte Quik (3.v.l.) - beim Agrarforum der Volksbank im Obrighovener Saal Schepers

Heimspiel für Staatssekretär Heinrich Bottermann (r.) vor rund 160 Gästen - darunter seine Tochter, CDU-Landtagsabgeordnete Charlotte Quik (3.v.l.) - beim Agrarforum der Volksbank im Obrighovener Saal Schepers

Foto: Fritz Schubert

Massentierhaltung, Gülle, Hochwasserschutz, Flächenverlust, Weltmarktpreise, Schweinepest: Die Stichworte geben nur einen kleinen Ausschnitt der Themen wider, die gestern beim Agrarforum der Volksbank Rhein-Lippe in Wesel hin- und hergewendet wurden. Gut 160 Gäste füllten den Saal Schepers in Obrighoven, wo gleich zwei Spitzenakteure wegen Krankheit zu ersetzen waren: Ministerin Christina Schulze Föcking und Wilhelm Neu, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel. So kam es zu einem Heimspiel für den bestens aufgelegten Staatssekretär Heinrich Bottermann aus Hamminkeln und für Johannes Leuchtenberg aus Neukirchen-Vluyn, der Neu vertrat.

Die von Leuchtenberg angerissenen Sorgen der Bauern nahm Bottermann nur zu gern für seinen Vortrag auf: Zum Paradigmenwechsel durch die neue Landesregierung gehöre als Leitbild eine familiär-bäuerliche, aber auch wettbewerbs- und damit zukunftsfähige Landwirtschaft. Zudem soll sie Ressourcen schonen und sozial verantwortungsvoll agieren. Als wär es noch nicht genug, setzte Bottermann die Forderung nach "sauberen Begründungen" drauf. Die spielten gestern gleich mehrfach eine Rolle. Der Staatssekretär aus dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz verband damit zunächst die Vorbereitung auf 2020. Dann nämlich geht es um die neue EU-Förderung und um die Entschädigungen, für die gute Argumente nötig sind. Und das nicht nur international. Bis zu 14 Milliarden Euro im Jahr könnten im EU-Topf durch den Brexit allein für die Landwirtschaft fehlen. Zum Ausgleich der Finanzierungslücke müsste Deutschland 3,5 Milliarden per anno mehr aufbringen. Also ist auch im eigenen Land Überzeugungsarbeit nötig, dass die Erzeuger die Unterstützung wert sind.

Bottermann wusste die bäuerliche Seele aber auch zu streicheln. So wolle sich die Landesregierung für weniger Detail-Kontrollen bei EU-Vorgaben und mehr Flexibilität in regionalen Situationen einsetzen. "Die Dinge müssen viel einfacher werden", sagte Bottermann und bekam dafür den ersten Applaus des Morgens. Auch die von Rot-Grün veränderte Jagd- und Naturschutz-Gesetzgebung wolle man "weiterentwickeln". Also jene Dinge wieder herausnehmen, die als Hemmnisse hineingekommen seien. Zur Lösung der Gülleproblematik seien technische Neuerungen in Sicht, erläuterte Bottermann. Statt beste Böden als Ausgleichsflächen zu blockieren, sollten vielmehr andere Areale aufgewertet werden. Und beim Hochwasserschutz müsse es ein Zusammenspiel von technischen und umweltfreundlichen Projekten geben. "Mit Maß einen Weg der Mitte wählen", fasste Bottermann zusammen.

Prof. Ulrike Weiler als zweite Referentin stellte ihren Vortrag unter die Fragestellung, ob es bei der Fleischerzeugung einen Kompromiss zwischen Tierschutz, Umweltschutz und Fleischgenuss geben kann. Gestützt auf zahlreiche Erhebungen gestaltete die Agrarwissenschaftlerin ihren Vortrag äußerst kurzweilig und launig. In den Mittelpunkt rückte auch hier immer wieder die Erkenntnis, dass die Landwirtschaft an ihrem Image arbeiten müsse. Weiler versuchte, mit populären Irrtümern aufzuräumen. So sei entgegen der landläufigen Meinung der Strohstall für Schweine eben nicht das Nonplusultra, sondern "unter Umweltaspekten ein Desaster". Auch werde bei der Produktion von gepriesenem Fleisch des Kobe-Rinds doppelt so viel CO2 frei wie beim normalen Mastbullen. Bei Wildschweinen übrigens dreimal so viel wie beim Stallschwein. "Kompromisse werden nur akzeptiert, wenn der Verbraucher versteht, was wir tun. Also müssen wir es ihm erklären", sagte Weiler.

Bevor es in die Podiumsrunde ging, musste Bottermann sich verabschieden, beantwortete aber noch zügig direkt an ihn gehende Fragen aus dem Publikum. Da durfte natürlich auch die nach dem unlängst am Rhein im Raum Wesel/Rees gesichteten Wolf nicht fehlen. "Ich habe schon darauf gewartet, sagte der Staatssekretär. "Wir haben hier kein Rudel", stellte er fest. Und wenn ein Wolf sich artgerecht verhalte, gebe es auch keinen Grund, gegen ihn vorzugehen. Sollte er aber davon abweichen, dann müsse er erlegt werden. Bottermann warb aber auch dafür, den Schützen dann "nicht zu diskriminieren".

(fws)
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