Schermbeck Als ein Kahn Gartrop und Damm verband

Schermbeck · "Das waren Zeiten!": Vor 62 Jahren erschien in der RP ein Artikel über einen Nachen, der einst auf der Lippe verkehrte.

 Lina Busch brachte die Fahrgäste per Handbetrieb - also mit Hilfe eines gespannten Seils, das an beiden Ufern befestigt war - über den Fluss. Den Fährbetrieb übernahm sie von ihrem Vater.

Lina Busch brachte die Fahrgäste per Handbetrieb - also mit Hilfe eines gespannten Seils, das an beiden Ufern befestigt war - über den Fluss. Den Fährbetrieb übernahm sie von ihrem Vater.

Foto: NN

Der Turmverein Damm bemüht sich derzeit um eine spektakuläre Lippequerung per Hängebrücke zwischen Damm und Gartrop (wir berichteten). Das weckt Erinnerungen an jene Zeit, als zwischen Damm und Gartrop ein Nachen verkehrte, mit dessen Hilfe man das jenseitige Ufer der Lippe erreichen konnte.

Beim Stöbern in alten Zeitungen, die der ehemalige Schermbecker Amtsdirektor Werner Kiel ihm vor mehr als 30 Jahren überreichte, entdeckte der Dammer Heimatforscher Helmut Scheffler in einer Ausgabe der Rheinischen Post aus dem Jahre 1953 einen interessanten Artikel. Es wird in dem Artikel weder ein Text-Verfasser noch ein Fotograf angegeben (auch nicht mit einem Kürzel). Hier der Text im Wortlaut sowie das damals abgedruckte Foto:

Wie vor der Jahrhundertwende - Ein Idyll an der Lippe/Dammer Fährkahn weckt Erinnerungen: Mancher Weselaner "in reiferen Jahren" wird beim Betrachten des beigefügten Bildes ausrufen: "Ja, das ist doch ...! Ja, wahrhaftig, das ist doch die alte Kahnfähre bei Damm!" Ja, sie ruft manche liebe Erinnerung wach an frühere Jahrzehnte, als man mit Vater und Mutter nach Damm fuhr, dann 15 Minuten durch die Wiesenwege wanderte, um ans Lippeufer zu kommen. Hier hing eine Glocke. Ihr Ruf brachte Leben in das gegenüber liegende Fährhaus. Bald löste der Fährmann den Kahn, und unter manchem Hallo glitt er durch die Lippe zum anderen Ufer. Der fällige Obolus wurde entrichtet, und weiter ging es zum Schloß Gartrop, zu den Burggräben mit Schilf und Seerosen oder in den Wald zum alten Gasthaus... Das waren Zeiten! Und heute? Staunt und hört: Die alte Fähre, die schon vor der Jahrhundertwende ihre Gäste beförderte, fährt auch heute noch. Der Sturm der letzten Jahrzehnte ist fast spurlos an diesem Fleckchen vorbeigegangen. Das rote Dach des Fährhauses lugt heute noch wegweisend aus dem Grün der Bäume und Wiesen hervor. Immer noch liegt der alte Eisenkahn am Ufer und wartet darauf, dass jemand ruft. Die Glocke ist aber nicht mehr da. Sie wurde keineswegs ein "Opfer der Kriegswirren", sondern des weidenden Viehs. Kühe hatten sie abmontiert, und seitdem wurde sie nicht mehr aufgehängt."

Die Zahl der "Fahrgäste" ist mehr und mehr zurückgegangen. Einige Berufstätige benutzen sie heute noch morgens und abends. Auch die Zahl der Ausflügler ist gegenüber früheren Jahrzehnten sehr viel geringer. Die Einwohner des Fährhauses wurden von manchem harten Schlag getroffen. Der Fährmann selbst geht heute einem lohnenderen Einkommen nach. Den Fährbetrieb hat seine Tochter [die Red.: Lina Pannebäcker, später Lina Busch] übernommen. Sie bringt den Kahn (im Bilde) heute wie früher "im Handbetrieb" über den rund 40 Meter breiten Fluß. Erhalten hat sich hier ein einzigartiges Idyll, fernab von der Hast der Städte und dem nerventötendem Lärm der großen Straßen.

(hes)
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