Kreis Wesel APX stellt Mitarbeiter mit Handicap ein

Kreis Wesel · Junge Schiffsbauer sollen in Xanten über theoriereduzierte Ausbildung eine Arbeitsplatz-Chance erhalten.

 Die "Nehalennia" war das erste Schiff, das in der Holzwerkstatt des APX gefertigt wurde. Hier sollen demnächst auch Behinderte arbeiten.

Die "Nehalennia" war das erste Schiff, das in der Holzwerkstatt des APX gefertigt wurde. Hier sollen demnächst auch Behinderte arbeiten.

Foto: LVR

Die Landschaftsversammlung will im Archäologischen Park Xanten (APX) dauerhaft eine Holzwerkstatt installieren, in der Menschen mit Behinderungen in einem neuen Modell über eine theoriereduzierte Ausbildung an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden sollen. Die ersten vier Teilnehmer dieser Maßnahme will der Landschaftsverband dauerhaft anstellen. Ist dieser Versuch von Erfolg gekrönt, will der LVR über die "Fachpraktiker-Ausbildung" auch weiterhin eine Qualifizierung für Tätigkeiten ermöglichen. Für sie, so heißt es, gebe es auch Anstellungsmöglichkeiten in der freien Wirtschaft.

Sie tragen die Namen "Nehalennia", "Philemon" und "Baucis". Das Plattbodenschiff und das Fischerboot samt seinem schwimmenden Fisch-Kühlschrank stammen aus der Bootswerkstatt auf dem APX-Gelände und waren in den vergangenen Jahren auch überörtlich wichtige Werbeträger der Römer-Kundler. In dieser Werft bezieht der Landschaftsverband bereits junge Menschen mit Einschränkungen in den Arbeitsprozess ein, erklärt APX-Direktor Dr. Martin Müller. Seit 2014 seien mehrere sogenannte betriebsintegrierte Arbeitsplätze (BIAPs) geschaffen worden: im Fundmagazin, im Gärtnerbereich, und jetzt eben auch in der Holzbearbeitung für den Schiffsbau.

Das Besondere in diesem Fall: Die jungen Leute lernen hier unter der Leitung von Dr. Gabriele Schmidhuber-Aspöck sowie in Zusammenarbeit mit den Archäologen, dem niederländischen Schiffsbauer Kees Sars sowie in Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen und Werkstätten auch, vor Publikum ihre Arbeit zu verrichten. Denn die Bootswerft steht Besuchern vornehmlich an den Sommerwochenenden offen. Ein zusätzlicher Gewöhneffekt, eine zusätzliche Herausforderung. "Wir haben gesehen, dass es einige dieser Mitarbeiter schaffen", erklärt Müller. Beim Schiffsbau habe sich schon ein besonderes Tischler- und Schreinertalent bewiesen.

Nun will der Landschaftsverband eben diesen Mitarbeiten über "betriebsintegrierte Arbeitsplätze" eine gesicherte Zukunft bieten. Zwei der bereits im Rahmen des Schiffbauprojekts bereits intensiv vorgebildeten Praktikanten sollen jetzt zum "Fachpraktiker Holzverarbeitung" ausgebildet und dann unbefristet in den LVR-Dienst übernommen werden.

Am Besuch eines Berufskollegs kommen die beiden Auszubildenden allerdings nicht vorbei. Der theoretische Stoff soll aber eingegrenzt werden, so Müller. Ganz ohne Begleitung und "Nachrüstung" geht das nicht vonstatten. Der Landschaftsverband will eine eigene Holzwerkstatt auf dem Xantener Areal einrichten. Um eine lückenlose Betreuung der Auszubildenden zu gewährleisten, muss ein leitender Ausbilder her - mithin ein Tischler, der sich über rehabilitationspädagogische Zusatzausbildung qualifizieren muss.

Und da die neuen Mitarbeiter nicht nur Schiffe rekonstruieren, sondern sich zum Beispiel auch um die Rekonstruktion von Fenstern, Türen und Geräten, römischen Möbeln und Kutschen kümmern sollen, muss ein "fachwissenschaftlicher Integrationskoordinator" her. Auch die beiden Mitarbeiter im Fundmagazin und im Gärtnerteam sollen übernommen werden. "Reguläre Arbeitsplätze", so der LVR, könnten sie allerdings nicht ersetzen.

Für dieses Modell setzt der LVR auch Geld ein: 140.000 Euro kostet die Einrichtung der Werkstatt, wobei da ein wesentlicher Teil öffentlich gefördert werden kann. Mit 198.000 Euro beziffert der LVR seine Ausgaben im Jahr 2017 für die zwei neuen Mitarbeiter, die zwei neuen Auszubildenden, den Ausbilder und den Koordinator. Haben die beiden Auszubildenden mal ihren Gesellenbrief, sind es - mit Tarifsteigerungen - 304.000 Euro.

Es könnten in Zukunft auch weitere junge Leute auf diesen Weg gebracht werden, sagt APX-Direktor Müller. Darüber will die Landschaftsversammlung aber erst nach dem Ende der Ausbildungsphase und einer Evaluation entscheiden - 2021 also.

Allerdings, so Müller, könne er sich auch vorstellen, dass Azubis, die im APX gelernt haben, auch in andere Betriebe vermittelt werden können. "Im Palettenbau, so heißt es, haben sie zum Beispiel immer eine reelle Chance", ist Müller überzeugt.

Das ist noch Zukunftsmusik. Aber das ist eine Perspektive auch und gerade für die "Schiffsbauer", die derzeit an einem Großsegler arbeiten. Danach, so die Planung, soll schließlich eine ganze Flotte von Nachbauten alter römischer Schiffsarten her...

(RP)
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