Wesel Behinderte testen Wesels Barrierefreiheit

Wesel · Zum zehnjährigen Bestehen des Kreises der Behinderten geht die RP mit dem Vorstandsduo vom Bahnhof zum Markt.

Manfred Mertsching, Wesels ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter, weiß, was es bedeutet, in der City einkaufen zu wollen, wenn man ein Handicap hat. Der 68-Jährige aus Blumenkamp ist Gründer und Vorsitzender des Kreises der Behinderten und ihre Freunde, der jetzt zehn Jahre alt wird. Er ist selbst zu 100 Prozent behindert seit seinem Oberschenkelhalsbruch 1973 und benötigt Krücken zum Laufen. Es geht ihm zwar nicht gut, aber Fakt ist: Mit einem Rollstuhl kommt man noch schlechter vorwärts.

Die RP begleitete Manfred Mertsching auf seinem Gang vom Bahnhof bis zum Rathaus durch die Fußgängerzone und erfuhr dabei so einiges aus zehn Jahren Behindertenarbeit.

Bahnhof Langsam arbeiten wir uns vor. Durch die automatisch öffnende Tür kommt jedermann heute leicht in den Bahnhof hinein. Bei einem Stromausfall lässt sich eine mechanische Nottür öffnen. Ertastbare Linien und helle Streifen am Treppen- beziehungsweise Bahnsteigrand zeigen auch einem blinden Fahrgast auf, wo er sich befindet und wo Gefahren lauern.

Erstes Hindernis Die langen Treppen hinunter zu den Bahnsteigen: Behinderte konnten früher deswegen keinen Zug erreichen. Über die neue, schräge, allerdings ziemlich lange Rampe im rückwärtigen Bahnhofsaußenbereich kann das jetzt jeder schaffen. Unten angekommen, fährt man mit dem mittlerweile eingebauten Personenaufzug dann zum gewünschten Bahnsteig hoch.

Berliner-Tor-Platz Das Pflaster ist nun so beschaffen, dass niemand mit dem Rollstuhl hängenbleibt. Auch die Durchlässe in den Gullis wurden verengt.

Obere Fußgängerzone Das Hanseband erzählt nicht nur etwas über die Geschichte der Stadt. Es dient auch als Orientierungshilfe für die Laufrichtung. Die überall angebrachten Bänke wurden erhöht und sind nun so hoch wie ein Rollstuhlsitz. Geschäfte dürfen ihre Warenauslagen nicht mehr sehr weit in die Zone hineinbauen. Die Ladenbesitzer wurden zu ebenerdigen Eingängen verpflichtet. Bei H&M geht es links zur Behinderten-Toilette am Kaufhof. Mertsching moniert, dass das vom Verein initiierte Hinweisschild am Ende der Windstege offenbar verschwunden ist. Am Überweg über die Kreuzstraße gibt es wieder ein Blindenleitsystem in Form von Noppen. An den Bushaltestellen links wurde ein schräg zulaufendes Kasseler Bord für den erleichterten Einstieg in die Niederflurbusse gebaut. "Nur die Busse der Niag lassen sich absenken, die anderen nicht", bedauert Mertsching allerdings.

Untere Fußgängerzone Dann laufen wir über den zweiten Teil der Fußgängerzone Richtung Dom, immer hübsch am Hanseband entlang. Richtung Rathaus gabelt sich der Weg. Dort verstellen Stühle und Tische einer Kneipe den Weg. Man ist gezwungen, über die Fahrbahn zu laufen: "Das ist uns ein Dorn im Auge", ärgert sich Mertsching. Mittlerweile sind wir beim Centrum angekommen. Eine echte Errungenschaft - nicht nur für Behinderte - ist der Aufzug von 2009.

Großer Markt Ein Austausch des Pflasters scheitert bislang, weil es einst gefördert wurde. Ab 2018 folgt ein rollstuhlfreundlicher Belag.

Errungenschaften Es gibt inzwischen einige behindertengerechte Toiletten in der Stadt: etwa im Caritas-Gebäude am Bahnhof, im Kaufhof, in der Tiefgarage unterm Markt, im Welcome-Hotel. Eine Neuauflage des Stadtführers für Barrierefreiheit ist in Arbeit. Der zweite Führer "Gesundheit für Menschen mit Behinderung" mit Apotheken- und Arzt-Adressen erscheint in Kürze. Im Bühnenhaus wurden 18 Induktionsschleifen für Hörgeschädigte installiert. Der Kreis um Mertsching und Stellvertreter Stenk zählt 50 Mitglieder - behinderte und nicht behinderte. Das Zehnjährige wird am Samstag, 3. Mai, bei Majert in Brünen gefeiert.

(age)
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