Hamminkeln Carpe diem gibt nach neun Jahren auf

Hamminkeln · Weil immer weniger Gäste bereit oder in der Lage sind, für eine gute Küchenleistung einen angemessen Preis zu zahlen, wird das Marienthaler Vorzeige-Restaurant Anfang September schließen. Gaststättenverband beklagt: "Top-Gastronomie auf dem Land hat's schwer."

 Noch bis einschließlich 4. September sind Gäste im Carpe diem an der Pastor-Winkelmann-Straße 5 willkommen.

Noch bis einschließlich 4. September sind Gäste im Carpe diem an der Pastor-Winkelmann-Straße 5 willkommen.

Foto: Ekkehart Malz

Lange, sehr lange hat Daniela Eichenauer (34) mit ihrer Familie diskutiert und sich Gedanken gemacht, ob es nicht doch noch einen Ausweg gibt. Letztendlich musste sie sich aber eingestehen, dass es keinen Sinn mehr hat. "Ja, schweren Herzens haben wir uns entschieden, das Carpe diem zu schließen. Bis zum 4. September hoffen wir, noch einmal so viele Gäste wie möglich begrüßen zu können", sagt die Geschäftsführerin des bekannten Marienthaler Restaurants, das sich mit seiner hochwertigen, regional geprägten Küche einen guten Ruf erworben hat. Doch weil vor allem in der Woche die Zahl der Gäste in dem schmucken Lokal überschaubar war, konnte das Carpe diem keine Gewinne einfahren.

"Wenn ich ehrlich bin, haben wir mit Hilfe unserer Spedition das Restaurant quersubventioniert", sagt die studierte Logistikerin mit Wohnsitz Bocholt, deren Vater Norbert Roß die Räume neben der Alten Molkerei gehören. Der ist nun auf der Suche nach einem geeigneten Pächter.

Die vier festangestellten Mitarbeiter haben bereits ihre Kündigungen erhalten. Vor allem für Küchenchef Henning Buchmann (36), der im Landhotel Voshövel gelernt hat und danach in der Sterne-Gastronomie tätig war (Victorian an der Düsseldorfer Kö), dürfte es kein Problem sein, eine neue Anstellung zu finden. Ebenso für Restaurantleiterin Katja Sextro. Denn ausgebildete Fachkräfte sind im Hotelfach rar und entsprechend gefragt.

Nach dem Aus für das Restaurant J. im Ringenberger Schloss (RP berichtete) verliert Hamminkeln innerhalb von wenigen Wochen ein weiteres Top-Restaurant. Die Gründe liegen für Daniela Eichenauer auf der Hand: "Die Leute haben einfach in der Masse nicht das Geld, um sich ein Menü für 30 oder 40 Euro ohne Getränke leisten zu können", sagt sie. "So etwas gönnt man sich nun mal auch nicht so oft." Sie könnte sich vorstellen, dass ein Gastronom mit einer gut bürgerlichen Küche letztlich mehr Erfolg haben könnte.

Dass es Restaurants mit einem hochwertigen Angebot außerhalb der Metropolen schwer haben, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, bestätigt auch Thomas Kolaric, Geschäftsführer der Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Nordrhein mit Sitz in Neuss. "Der Markt in einem gehobenen Preissegment wird immer dünner. Vor allem im ländlichen Gebiet, in dem oft die Laufkundschaft fehlt", sagt Kolaric. Er bedauert es sehr, dass viele Menschen nicht bereit seien, für eine gute beziehungsweise sehr gute Küchenleistung einen angemessenen Preis zu zahlen. Anders als beispielsweise in Frankreich. "In Deutschland sind Leute bereit, 25 Euro für einen Liter Motoröl zu zahlen. In unserem Nachbarland wird eben mehr Geld in Restaurants ausgegeben und billiges Öl gekauft." Gleichwohl gibt auch er zu, dass vielen einfach das Geld fehlt, um mit einer vierköpfigen Familie an einem Abend 200 Euro auszugeben. "Restaurants wie das Carpe diem oder das J. in Ringenberg benötigen Gäste der Generation ,Kinder aus dem Haus'. Sprich: Einfamilienhaus, teures Auto, keine wirtschaftlichen Probleme. Also Menschen über 50, die sich etwas gönnen möchten." Dass aber auch diese Klientel gerne mal die angesagten Lokale in den Großstädten ansteuere, habe, so Kolaric, auch damit zu tun, dass man dort zuvor auch shoppen, ins Konzert oder ins Kabarett gehen könne. Kolaric: "Image ist vielen sehr wichtig. Und dass durch einen Restaurantbesuch Emotionen geweckt werden. Das ist nun mal der Trend."

(RP)
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