Wesel Das Geheimnis der Schlüsselfidel

Wesel · Jean-Louis Matinier und Marco Ambrosini beendeten das Sommerton-Festival mit einem virtuosen Konzert.

Wesel: Das Geheimnis der Schlüsselfidel
Foto: Malz Ekkehart

Mit einem in jeder Hinsicht begeisternden Konzert in der Diersfordter Schlosskirche ging am Sonntag das Sommerton-Festival zu Ende. Programmchef Wilfried Schaus-Sahm hatte für die intime Atmosphäre der Rokoko-Kapelle ein Duo ausgewählt, das schon durch seine Instrumentierung einzigartig ist. Ein Glücksgriff, wie sich schnell herausstellen sollte.

An der Seite des französischen Akkordeon-Virtuosen Jean-Louis Matinier zog der Italiener Marco Ambrosini mit der archaisch anmutenden Schlüsselfidel die Blicke auf sich. Das 600 Jahre alte Instrument, eine mit Tasten versehene Verwandte der Geige, galt in Mitteleuropa über Jahrhunderte als ausgestorben und hat lediglich in der schwedischen Folklore überlebt. Von dort wurde es nun durch Ambrosini wieder ausgewildert, in neue musikalische Umgebungen gesetzt und erwies sich als erstaunlich vielseitig und anpassungsfähig.

So war dem Zusammenspiel des Duos kaum eine Grenze gesetzt. Selten hört man Musik, in der so viel Bekanntes anklingt, und die dennoch völlig eigenständig und originell wirkt. Ausgehend von Barockmusik und schwungvollen Volkstanzmelodien, gab es moderne Spieltechniken und Anklänge an Minimal Music zu bestaunen. Rasante Läufe mündeten in Klangflächen, die sich langsam verschoben, und feine perkussive Experimente warteten auf gespitzte Ohren. Zwischendurch wurde ein swingender Jazz-Walzer eingestreut und eine Bach-Toccata wunderte sich, wie sie auf den Balkan gelangt ist.

Wie man das Ganze nennen soll, ist ebenso unklar wie völlig einerlei. Damit sich niemand bei der verzweifelten Suche nach Schubladen eine Hirnzerrung einhandelt, machte Ambrosini ein unwiderstehlich simples Angebot zur Kategorisierung: "Wir spielen die Musik, die wir selbst hören wollen. Da ist es der einfachste Weg, sie auch selbst zu spielen. Es ist einfach Musik."

Vollends beglückend wurde das Konzert durch die Ausstrahlung und Persönlichkeit der beiden Musiker. Selten erlebt man Künstler, die eine solche Freude am eigenen Spiel ausstrahlen. Da wirkte mancher Blick in die Noten fast schon verliebt, wurde das Spiel des jeweiligen Duopartners mit leuchtenden Augen bewundert und das perfekte Ineinandergreifen der musikalischen Strukturen sichtlich genossen. Wie ansteckend diese Freude war, konnte man leicht auf den Gesichtern der Zuhörer ablesen. Selten sieht man beim Verlassen eines Konzerts so viele lächelnde Münder und strahlende Blicke. Kein Zweifel - hier war eine Extraportion Glückshormone verteilt worden, in Form von Musik und ohne Risiken und schädliche Nebenwirkungen.

(gds)
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