Wesel Das Schweigen brechen

Wesel · Mit der Geschichte von Nils erzählt Annette Feldmann in ihrem ersten Roman "Nichts sagen" von Schmerzen, Schweigen und Liebe. Die gebürtige Weselerin schildert eindrucksvoll, wie der Student mit dem Missbrauch in seiner Kindheit lebt.

 Annette Feldmann mit ihrem ersten Roman "Nichts sagen". Sie erzählt die Geschichte des sexuell missbrauchten Jungen Nils.

Annette Feldmann mit ihrem ersten Roman "Nichts sagen". Sie erzählt die Geschichte des sexuell missbrauchten Jungen Nils.

Foto: Malz

Nils hat sich verliebt. In Ari. Er mag ihre blauen Augen und wie sie aus ihnen schaut, wenn sie verwirrt ist. Sie versteht nicht recht, warum Nils noch nie eine feste, längere Beziehung geführt hat. Deswegen ist sie verwirrt. Nils, der ein wenig aussieht wie Anakin Skywalker aus der "Star Wars"-Saga nach einem Elektroschocker, findet Affären halt einfacher. Der Student, der Nils heute ist, hat aber einen anderen, tieferen Grund als etwa bloße Bequemlichkeit.

Es ist die Geschichte von Nils, die Annette Feldmann in ihrem ersten Roman "Nichts sagen", der Anfang Oktober im Divan-Verlag erschienen ist, erzählt. Nils ist als Kind von seinem Stiefvater Robert missbraucht worden. Das Buch erzählt dieses ergreifende Schicksal in zwei Zeiten und kommt daher ohne echte Kapitel aus. Texte, die mit "Früher" überschrieben sind, spielen in Nils Kindheit, während Texte, die Feldmann mit "Heute" betitelt, den Umgang mit dem Erlebten als Student beschreiben.

Annette Feldmann, 40, lebt inzwischen mit ihrem Mann in Kempen. Sie hat Kanadistik und vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Augsburg studiert. Ihre schreiberischen Anfänge machte sie bei der RP in Wesel, mit der sie noch immer den Duft von frisch gekochtem Kaffee verbindet. Deswegen spielt sich die Kindheit der Romanfigur auch in Wesel ab, aber ohne dass die Stadt konkret benannt würde. Diese Heimatverbundenheit Feldmanns kommt in "Nichts sagen" zum Ausdruck.

Dieser erste Roman, ein Jugendbuch wie Annette Feldmann sagt, hat einen langen Weg hinter sich. In der zwölften Klasse schrieb sie eine Kurzgeschichte, in der Nils schon als Protagonist auftauchte. Sie entwickelte den Text weiter. Immer wieder machte sich die junge Frau während des Studiums an das Buch. Knapp 22 Jahre nach dieser Kurzgeschichte, nach einer Nominierung für den Literaturpreis "Goldener Pick", nach unzähligen Absagen, nach etlichen Jahren, in denen sie nicht mehr damit gerechnet hätte einen Verlag zu finden, hält sie das fertige Werk nun in ihren Händen.

"Nichts sagen" ist Titel und Credo des Romans. Nils kann nicht über das Geschehene reden, er darf es gar nicht. Sein Stiefvater hat es ihm doch verboten. "Nils muss irgendwie damit fertig werden. Er muss darüber reden. Damit er leben kann", sagt Annette Feldmann. Das Schweigen, das "Nichts sagen", ist das große Thema ihres Werkes. Die große Schwierigkeit eines jungen Mannes, der nicht weiß, wem er seine Vergangenheit anvertrauen darf und kann. Wie er eine Zukunft starten soll, mit dieser Last.

Annette Feldmann hat ein lesenswertes Buch geschrieben, das sich mit erstaunlicher Leichtigkeit auch den Problemen der Jugend nähert. Die freie Journalistin, die schon mit elf Jahren den Traum von der Schriftstellerei im Kopf hatte, arbeitet bereits an ihrem nächsten Buch. Dann ist es ein Mädchen, das im Mittelpunkt steht.

(RP)
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