Kirsten Bovenkerk "Depressionen im Alter nehmen zu"

Wesel · Die psychische Störung der Niedergedrücktheit ist heilbar, aber besonders für Senioren fehlen Hilfen und Angebote.

Kirsten Bovenkerk: "Depressionen im Alter nehmen zu"
Foto: imago stock&people

Wesel Depressionen treffen junge wie alte Menschen gleichermaßen. So, wie Letztere zahlenmäßig derzeit und auf Dauer absehbar zunehmen, so steigt auch der Anteil Betroffener. Die psychische Störung ist eine heilbare Krankheit. Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen. Über Ursachen, Möglichkeiten, Mängel und Auswege sprach RP-Redakteur Fritz Schubert mit der gerontopsychiatrischen Fachberaterin Kirsten Bovenkerk (54) aus Wesel. Ihre vom Kreis Wesel finanzierte Stelle ist am Vinzenz-Hospital Dinslaken angesiedelt, mittwochs von 14 bis 16 Uhr ist Bovenkerk am Evangelischen Krankenhaus Wesel zu sprechen.

Wie stellt sich die Entwicklung der Altersdepression im Alter für Sie dar?

Kirsten Bovenkerk Die Tendenz ist steigend. 2014 hatte ich 287 Klienten, von denen weniger als 100 an Depressionen litten. Im vergangenen Jahr waren es schon 140 bei insgesamt 347 neuen Fällen. Die Depression ist zwar keine alterstypische Krankheit, aber im Alter häufen sich begünstigende Risiko-Faktoren: Einsamkeit und Trauer nach Verlust des Partners oder der Freunde, eine eigene schwere Krankheit oder schwindende Mobilität.

Merken die Betroffenen, dass sie eine Depression haben?

Bovenkerk Die meisten merken es, aber sie machen nicht unbedingt den zweiten Schritt und suchen Hilfe. Auch Angehörige sehen oft nicht ein, dass es eine Krankheit ist, dass auch bei hellstem Sonnenschein für den Erkrankten drumherum alles grau ist. Ich sage Ihnen dann, dass es wie ein Beinbruch ist, mit dem Mutter ja auch nicht ohne Einschränkung vor die Tür gehen könnte.

Welche Rolle spielen Sie als gerontopsychiatrische Fachberaterin?

Bovenkerk Weil ich von außen auf den Fall gucke, wird mein Rat eher akzeptiert. Ich schaffe es immer, dass die Leute die Hilfen zum Beispiel einer Gerontopsychiatrischen Tagesklinik annehmen. Scham spielt auch eine Rolle. Ich spreche lieber von einem Nervenarzt als von einem Psychiater. Übrigens sind es in erster Linie Demenzkranke, die sich sperren. Depressive sind viel zugänglicher. Die Medikation ist dann Sache der Behandler, sowie Unterstützung bei der Tagesstrukturierung, Gesprächskontakte und Ressourcenaktivierung. Auch im Alter ist Depression heilbar.

Das hört sich doch alles positiv an.

Bovenkerk Ist es auch, aber es kann noch viel besser werden. Das hat sich das 2013 gegründete Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel zum Ziel gesetzt. Organisiert werden unter anderem Psychoedukationsgruppen für Betroffene, die auf einen Therapieplatz warten.

Wo hakt es und was kann man tun?

Bovenkerk Viele Fälle bleiben unterversorgt. Um Stabilität und Anbindung zu gewährleisten, werden Gesprächsgruppen angeboten. Es fehlen Fahrdienste besonders für ländliche Räume wie Hamminkeln und Brünen, weil Klienten oft nicht mehr Autofahren dürfen. Manche haben auch keine Pflegestufe.

Wer gehört dem Bündnis an?

Bovenkerk Verantwortlich ist der der Fachdienst Gesundheitswesen des Kreises mit Beteiligung der Caritasverbände, Spix, Selbsthilfekontaktstelle, des Vinzenz-Hospitals Dinslaken, des Josef-Krankenhauses Moers und Fachberaterinnen.

Wie sieht Ihre Hilfe aus?

Bovenkerk Unter 02064 441220 können telefonisch mit mir Termine für Dinslaken oder Wesel ausgemacht werden. Auch Hausbesuche sind möglich.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort