Wesel Der langsame Tod der Kastanien

Wesel · Der städtische Betrieb ASG stellt aktuell eine Liste zusammen von erkrankten Bäumen, die gefällt werden müssen. Rosskastanie und Ulme stehen auf der Liste ganz oben.

Um den Zustand der vielen Hundert geschädigten Kastanien und Ulmen im Stadtgebiet plakativ zu beschreiben, wählt Heinz-Georg Oberender vom Betrieb ASG folgendes Bild: "Wir haben viele kranke Patienten, einige von ihnen liegen auf der Intensivstation. Und niemand weiß, ob sie am Ende überleben."

Keine Frage: Eine ganze Reihe mächtiger Bäume sind von gefährlichen Bakterien und Pilzen befallen. Einige müssen gefällt werden - noch in diesem Herbst. Wie viele es sein werden, dazu kann Heinz-Georg Oberender, der für rund 20.000 städtische Bäume verantwortlich ist, derzeit keine seriösen Angaben machen. "Wir sind aktuell dabei, eine Liste der erkrankten Bäume zu erstellen, die wir der Politik in der Sitzung des Betriebsausschusses am 24. November vorstellen wollen", sagt er. Dann wird er auch Auskunft darüber geben, wie es zu dieser besorgniserregenden Situation gekommen ist.

Es ist unter anderem das Bakterium mit dem beinahe unaussprechlichen Namen Pseudomanas syringae pv. aesculi, das vor allem den Rosskastanien den Garaus macht. Zwar sei die Situation in Wesel noch nicht so schlimm wie beispielsweise in Bottrop oder Duisburg, wo "ganze Straßenzüge entfernt werden müssen", sagt Oberender. Doch große Hoffnungen, dass sich der Zustand der knapp Tausend Weseler Kastanien dauerhaft nicht verschlechtern wird, hat er nicht. Denn die Bäume sind oft durch die engen Stellungen in der Stadt und Strahlungswärme geschwächt. Werden sie dann noch von der Miniermotte, Pilzen und Bakterien befallen, sind sie dem Untergang geweiht. "Viele Jäger sind nun mal des Hasen Tod", sagt Oberender.

Auf der Liste der geschädigten Bäume werden neben Kastanien auch Weiden und vor allem Ulmen stehen. "Pilze aus der Familie der Porlinge, die sich von lebendem oder totem Holz ernähren, befallen auch kleinere Ulmen", beklagt der ASG-Baumexperte. Auf die Frage, ob zu befürchten ist, dass in einigen Jahren sämtliche Rosskastanien verschwunden sein werden und damit auch die glänzenden braunen Früchte, aus denen Generationen von Schülern mit Hilfe von Handbohrern und Streichhölzern mehr oder weniger putzige Männchen gebastelt haben, reagiert Oberender zunächst mit einem Lachen. "Gute Frage." Dann wird er etwas ernster. "Wir hoffen nicht, dass es so kommt. Aber natürlich wird der Bestand zurückgehen." Es sei denn, dass doch noch ein Mittel gefunden wird, um die Vitalität der Kastanien zu stärken. "Wir haben es", erklärt er, "mit einem Impfstoff probiert, doch der erhoffte Erfolg blieb aus." Aber durch ausreichendes Wässern und Düngen versucht der ASG trotzdem sein Bestes. Und dann wählt Oberender erneut ein sehr anschauliches Bild: "Das ist so, wie wenn man eine Erkältung hat und eine Hühnersuppe isst, die die Beschwerden einfach etwas lindert."

Klaus Nikolei

(RP)
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