Wesel Der schnelle Tod der Rosskastanien

Wesel · In Wesel sind viele mächtige Bäume von gefährlichen Bakterien und Pilzen befallen. Folge: Vor allem Kastanien sind ein Fall für die Kettensäge. Dadurch verändert sich das Stadtbild nachhaltig. Ersatzanpflanzungen sind nicht immer einfach.

 ASG-Baumexperte Heinz-Georg Oberender zeigt auf die kranke Kastanie vor der Musik- und Kunstschule. Auch sie ist nicht mehr zu retten.

ASG-Baumexperte Heinz-Georg Oberender zeigt auf die kranke Kastanie vor der Musik- und Kunstschule. Auch sie ist nicht mehr zu retten.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Nichts deutete im Frühjahr darauf hin, dass die mächtige Kastanie an der Fluthgrafstraße, nur wenige Meter vom Nordglacis entfernt, dem Tode geweiht ist. Doch wenige Wochen später steht der Baum völlig kahl und traurig da. Wer an seinen Stamm tritt, entdeckt eine schwarze Flüssigkeit, die die Rinde heruntertropft. Im Herbst wird die Rosskastanie der Kettensäge zum Opfer fallen. "Sie ist einfach nicht mehr zu retten", bedauert Heinz-Georg Oberender vom städtischen Betrieb ASG, der für 20 000 Bäume im Stadtgebiet verantwortlich ist.

Auch Wolfgang Lingk von der CDU beschäftigt das Thema. In einem Brief an Bürgermeisterin Ulrike Westkamp sprach er gestern davon, dass allein in Krefeld innerhalb von sieben Jahren 454 erkrankte Kastanien gefällt werden mussten. Lingk möchte, dass im nächsten ASG-Betriebsausschuss über die Situation in Wesel berichtet wird.

 Gesunde Seite, kranke Seite: An der Fluthgrafstraße hat das Bakterium Pseudomanas syringae pv. aesculi ganze Arbeit geleistet. Innerhalb weniger Wochen ist die alte Rosskastanie rechts abgestorben. Im Herbst wird sie gefällt. Auf der linken Seite grünt's dagegen.

Gesunde Seite, kranke Seite: An der Fluthgrafstraße hat das Bakterium Pseudomanas syringae pv. aesculi ganze Arbeit geleistet. Innerhalb weniger Wochen ist die alte Rosskastanie rechts abgestorben. Im Herbst wird sie gefällt. Auf der linken Seite grünt's dagegen.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Baum-Experte Oberender wird der Politik dann sicher Rede und Antwort stehen und auf das Bakterien Pseudomanas syringae pv. aesculi eingehen, das den Rosskastanien den Garaus machen. "Noch", sagt Oberender, "ist es bei uns nicht so schlimm wie beispielsweise in Bottrop oder Duisburg." Trotzdem macht er sich Sorgen. Denn auch an der Musik- und Kunstschule ist eine der prägenden Kastanien nicht mehr zu retten. Beim Ortstermin schaut Oberender in die bereits leicht gelichtete Krone des Baumes. "Die stirbt ab - in einer dramatischen Geschwindigkeit." Er tritt an den Stamm. "Hier gibt es Risse und eine massive Schwarzfärbung durch bakteriellen Schleimfluss. Das sind die letzten Zuckungen", stellt er vergleichsweise nüchtern fest. "An solche Anblicke werden wir uns gewöhnen müssen."

Um zu verhindern, dass Menschen durch absterbende Äste verletzt werden, kontrolliert der ASG die Kastanie in regelmäßigen Abständen mit Hilfe eines Hubsteigers. Im Herbst allerdings wird auch dieser Baum gefällt. Klar, dass es eine Ersatzpflanzung geben wird. Fragt sich nur, welche Art an diesem Standort geeignet und vor allem langlebig ist. In die engere Wahl könnten beispielsweise Eschen kommen, die bis zu 200 Jahre alt werden. "Doch die sind heute auch betroffen. Genau wie Platanen." Und von denen gibt es in der Kreisstadt eine ganze Menge. Vor allem säumen sie die Ringstraßen. Die Platanen werden übrigens nicht von Bakterien befallen, sondern von Masaria, einer Pilzerkrankung. "Der Pilz setzt sich oben auf die Äste, die dann irgendwann abbrechen können. Deshalb müssen wir unsere Platanen immer öfter kontrollieren und bei Pilzbefall absägen. Das geht natürlich ins Geld", sagt Oberender. Die Arbeit werde nicht weniger. Man müsse halt viel genauer hinsehen als noch vor 15 Jahren.

Dass Bäume immer öfter krank werden, hat nach Überzeugung des ASG-Mannes mit der Klimaveränderung zu tun. "Weil es immer wärmer wird, wandern tierische Schädlinge und Pilze aus südlichen Bereichen in unsere Breitengrade. Das Problem ist, dass unsere Bäume sich nicht dagegen wehren können." Wäre es da nicht sinnvoll, Bäume zu pflanzen, die aus heißen Regionen stammen? Oberender nickt. Am Bahnhof, so sagt er, habe der ASG seit 2011 verstärkt Bäume gepflanzt, die Hitze gewohnt sind. Ursprungsland: Australien.

(RP)
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