Hinter Den Kulissen Der Vogelflüsterer

Wesel · Karl-Heinz Peschen betreibt mit seinem Team die Greifvogelstation auf dem Gelände der Schill-Kaserne. Rund 350 Großvögel päppeln die Tierschützer dort Jahr für Jahr wieder auf - ein Vollzeit-Job für den Pensionär.

 Karl-Heinz Peschen trainiert Greifvögel zu Vorführungszwecken. Im Bild zu sehen ist ein Uhu - die größte Eulenart überhaupt.

Karl-Heinz Peschen trainiert Greifvögel zu Vorführungszwecken. Im Bild zu sehen ist ein Uhu - die größte Eulenart überhaupt.

Foto: Martin Büttner

Karl-Heinz "Buddy" Peschen lebt gefährlich. So sieht es zumindest aus. Keine 30 Zentimeter vom Gesicht des 75-Jährigen entfernt thront in diesem Augenblick einer der gefährlichsten Jäger unserer Breiten. Gnadenlos sei er, meint Peschen. Rücksichtlos bei der Jagd und kompromisslos bei der Wahl seiner Beute. Weiß-braunes Gefieder umhüllt einen armlangen Körper. Ein hakenförmiger Schnabel und mächtige Krallen erzeugen bei Beobachtern ein latentes Gefühl von Bedrohung. Dann breitet das mächtige Tier seine Schwingen aus. Mit Schwung versucht der Uhu sich vom ausgestreckten Arm des gelernten Falkners in die Luft zu erheben. Doch Peschen lässt ihn nicht. "Sitzenbleiben sollst du", sagt er mit gutmütigem Blick und beiläufigem Lächeln. Dann zerrt er leicht am Lederriemen, der um den Fuß des Vogels geschlungen ist. Als sich der Uhu wieder auf dem Arm niederlässt, lobt der Falkner: "Gut so, ganz wie ich es dir beigebracht habe."

Buddy Peschen leitet die Greifvogelstation, die der Kreis in Zusammenarbeit mit Bundeswehr und Nabu auf dem Gelände der Schill-Kaserne betreibt. Es ist eine Einrichtung mit langer Geschichte. Und eine Institution in Sachen Naturschutz, die zumindest im Kreis Wesel ihresgleichen sucht. Mehr als 9500 Vögel sind seit der Gründung schon in der Volieren der Anlage aufgepäppelt worden. Eulen, Käuze, Habichte, Bussarde und Falken - auch Adler waren schon mal Gast. Rund 350 Großvögel landen Jahr für Jahr in den Volieren der Anlage, in der sich Peschens Team um die Tiere kümmert. Seit 1984 betreibt der Kreis die die Station. "32 lange Jahre", sagt der ehemalige Berufssoldat. "Ich habe hier einen großen Teil meines Lebens verbracht."

Neben der Rettung und Aufzucht von Greifvögeln widmet sich das Team der Station vor allem der Bildung. Rund 100 Schulklassen und Kindergartengruppen kommen pro Jahr in die Anlage. "Mein Ziel ist immer", sagt Peschen, "dass diese jungen Leute hier rausgehen und sich Gedanken machen". Es sei wichtig, dass sich auch künftige Generationen mit ihrer Umwelt auseinandersetzen. "Wir wollen vermitteln, dass die Natur ein schützenswertes Gut ist." Und dafür sei es wichtig, dass Kinder und Jugendliche mit den Tieren auch mal in Berührung kommen. Aus diesem Grund hält Peschen auch ständig sechs abgerichtete Vögel auf der Anlage, mit deren Hilfe er seinen Gästen die Lebensweise der Tiere näherbringen kann.

 Der Steinkauz ist einer der kleinsten Greifvögel in der Station.

Der Steinkauz ist einer der kleinsten Greifvögel in der Station.

Foto: Büttner Martin

Der Tag beginnt für den Falkner und sein Team um 8 Uhr morgens. "Das ist ein Fulltime-Job", sagt er. Die Tiere werden gefüttert, trainiert und auf ihre Entlassung in die Freiheit vorbereitet. Oft ist der Pensionär deshalb nicht vor 19 Uhr zu Hause. Hinzu kommen Rettungseinsätze. "Wenn irgendwo im Kreis Wesel ein Greifvogel gefunden wird, werden wir angerufen", erläutert Peschen. "Das kann auch mal nachts sein. Wir rücken dann natürlich trotzdem aus und kümmern uns."

In 32 Jahren als Stationsleiter hat der Ex-Soldat auch einige skurrile Dinge erlebt. "Eine Sache, die mir immer in Erinnerung bleiben wird, ist der Besuch einer Armee-Delegation aus Kenia", erinnert sich Peschen. "Ich habe die eineinhalb Stunden durch die Station geführt, denen alles erklärt, das ganz große Programm gemacht. Und beim Verabschieden fragt mich tatsächlich einer von denen, wie unsere Vögel eigentlich schmecken." Da sei er damals vor Schreck beinahe umgefallen.

Während der 75-Jährige in der Vergangenheit schwelgt, rührt sich das Tier auf seinem Arm ganz langsam. Es breitet gemächlich seine Schwingen aus und dann - ganz plötzlich, schneller als Peschen reagieren kann - erhebt sich der Uhu in die Luft. Peschen blickt ihm für einen Moment verwirrt hinterher. Dann pfeift er. "Ganz schön gewieft", sagt der Mann, den alle hier nur Buddy nennen. Und nach einer großen Runde landet der Uhu ganz sanft auf seinem Arm. "Gut so", meint er und lächelt milde. "Ganz wie ich es dir beigebracht habe."

(th)
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