Wesel Die CDU-Fraktion bricht auseinander

Wesel · Schock für CDU: Die vier Ratsmitglieder Franz Bothen, Patrick Tenhaeff, Jürgen Lantermann und Thomas Moll verlassen die Fraktion. Sie bleiben als WfW "Wir für Wesel" im Rat. Ursache ist massive Unzufriedenheit mit der CDU-Politik.

In Mails an 17 CDU-Fraktionsmitglieder haben gestern Abend die vier Ratsherren Franz Bothen, Patrick Tenhaeff, Jürgen Lantermann und Thomas Moll ihren sofortigen Austritt aus der CDU-Fraktion erklärt. Sie begründen dies mit heftiger Kritik an der Arbeit des Fraktionsvorstands, zielloser Ratsarbeit und politischer Lethargie der Fraktion. Das Quartett behält seine Mandate und Sitze in den Gremien, firmiert künftig als freie Wählergemeinschaft WfW - "Wir für Wesel" - und bildet damit die siebte Fraktion im Rat. Der schlimmste Fall für die CDU, deren Fraktion damit auseinanderbricht. Sie erhält politische Konkurrenz nicht von links oder rechts, sondern aus der Mitte. Ihre Stärke sinkt auf 17 Mandate, bei der Kommunalwahl im 2014 hatte sie mit 21 Sitzen die SPD hinter sich gelassen. Offiziell will die neue Fraktion heute Stellung beziehen, wie am Abend zu erfahren war. Wie die CDU reagiert, war gestern unklar.

Gestern haben die Abtrünnigen ihren Austritt - so muss es formal geschehen - gegenüber Bürgermeisterin Ulrike Westkamp erklärt. Damit verbunden dürfte auch der Parteiaustritt sein, um Ausschlussverfahren zuvorzukommen. Die WfW erhält aufgrund ihrer Größe Fraktionsstatus, also auch ein Büro im Rathaus und Finanzausstattung. Damit erleidet die CDU das gefürchtete politische Schicksal einer Abspaltung bürgerlicher Kräfte als freie Wählergemeinschaft. Nicht irgendwelcher Hinterbänkler, sondern namhafter Ratsmitglieder. Offensichtlich konnte die Partei- und Fraktionsführung um Sebastian Hense und Jürgen Linz den seit der Kommunalwahl im Mai 2014 bekannten Konflikt nicht entschärfen.

Noch am Wahlabend war es zu Auseinandersetzungen gekommen, weil die damaligen Fraktionsvorstandsmitglieder Moll und Bothen zügig politische Mehrheiten schmieden und inhaltliche Vereinbarungen umsetzen wollten. Das geschieht in Wesel direkt nach den Wahlen, wobei es auch um Sitzverteilung in Gremien und Ausschüssen geht. Doch mangels Vorbereitung blieb Wahlsieger CDU aus Sicht der Kritiker unter ihren Möglichkeiten, am Ende stand nur eine Minimal-Vereinbarung mit der SPD. Inhalte: Personalabsprachen und Haushalt. Bothen und Moll vermissten politische Weichenstellungen und strategische Ziele, kündigten die Zusammenarbeit mit Linz auf, stiegen vor einem Jahr aus dem Fraktionsvorstand aus. Politisch hielten sie sich ab sofort zurück.

Dass auch Tenhaeff, bekannter Geschäftsmann aus der Innenstadt, und Lantermann, mit seinen Bürgertreffs ein Aushängeschild bürgernaher Politik, der CDU den Rücken kehren, ist eine heftige Überraschung. Ursache ist die Unzufriedenheit mit der CDU-Politik. Alle vier sprechen von einem "politisch verlorenen Jahr", die CDU sei im Rat in vielen Fragen isoliert, inhaltlich lethargisch, laufe dem aktuellen Geschehen hinterher und mache wie beim Vorschlag Durchgangsstraße im Neubaugebiet Lackhausen schwere Fehler.

Dazu passt: SPD-Chef Ludger Hovest treibt die CDU, insbesondere in den letzten Wochen, mit heftigen Angriffen oder Alleingängen ins Abseits. Die WfW will in die Lücke springen. Schwerpunkte sollen Wirtschaftspolitik, Stadtentwicklung und Stärkung der städtischen Beteiligungen sein. Nach RP-Informationen will die WfW über die "derzeitige Legislaturperiode hinaus" arbeiten. Moll soll Fraktionschef, Lantermann Vize sein. Es kündigt sich eine politische Kraft an, die beabsichtigt, sich dauerhaft festzusetzen. Ob das gelingt, ist unklar.

(RP)
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