Wesel Die erste Chefin am KDG nach 674 Jahren

Wesel · Oberstudiendirektorin Karen Schneider geht mit viel Rückhalt die Weiterentwicklung des Traditionsgymnasiums an.

 Vor zwei Jahren kam Karen Schneider als stellvertretende Schulleiterin ans Konrad-Duden-Gymnasium. Seit dem 1. August ist sie als Chefin die Nachfolgerin von Dr. Heinzgerd Schott an der Schule mit dem gewissen Etwas.

Vor zwei Jahren kam Karen Schneider als stellvertretende Schulleiterin ans Konrad-Duden-Gymnasium. Seit dem 1. August ist sie als Chefin die Nachfolgerin von Dr. Heinzgerd Schott an der Schule mit dem gewissen Etwas.

Foto: Ekkehart Malz

Für 1272 ist ein Henricus als Magister, also Lehrer in Wesel, urkundlich belegt. Das Gymnasium, das heute nach seinem berühmten Abiturienten Konrad Duden benannt ist, blickt aber nur bis 1342 zurück. In jenem Jahr wurde Magister Thomas Bulinc als rector scholarum aktenkundig. Ihm folgten, in der Chronik lückenlos (!) aufgelistet, 65 weitere Herren. Bis zu Dr. Heinzgerd Schott. Der ist gerade in den Ruhestand gegangen. Sein Büro hat Karen Schneider (43) nun bezogen. Die Oberstudiendirektorin ist nach 674 Jahren die erste Frau an der Spitze jener Bildungsanstalt, die noch immer das gewisse Etwas hat. Schneider, die vor zwei Jahren als Stellvertreterin Schotts und erprobte Schulentwicklerin nach Wesel kam, weiß um das Erbe und den Ruf, nutzt beides für die Zukunft.

Karen Schneider, seit dem 1. August als Schulleiterin am KDG im Amt, ist bestens vorbereitet und ausgerüstet. Nachdem in den letzten Jahren etliche Pensionierungen angestanden hatten, konnte zuletzt mit jedem Einstellungstermin das Kollegium wieder aufgefüllt werden. Mit 88 Lehrkräften und 963 Schülern geht das KDG in dieser Woche in das neue Schuljahr. "Bei uns sind alle Lücken geschlossen", sagt Schneider. "So können wir über Luxus nachdenken und jetzt auch eine Musik-AG anbieten." Sie freut sich unter anderem über Geigerin Kate Hildebrandt, die komplett von der Musik- und Kunstschule zum KDG wechselt. Auch im Sport sieht Schneider die Schule gut aufgestellt.

Den Leiden vieler Vereine am zeitraubenden Ganztag begegnet das KDG mit einem speziellen Modell. Lernzeiten statt Hausaufgaben: Das sorgt dafür, dass spätestens um 15.40 Uhr für alle Schluss ist, die Kinder dann für den Tag mit dem Thema Schule durch sind. Außerdem ist der Mittwochnachmittag frei, wenn die Schüler dann nachweislich aktiv sind - ob Sportverein, Musikschule, Pfadfinder oder Hilfsorganisation. Zudem soll viel "in die Schule reingetragen werden", wie Schneider es ausdrückt. Möglich wären zum Beispiel Übe-räume für Musizierende, damit sie ihre Lektionen in freien Zeiten noch in der Schule abarbeiten können.

An der traditionellen Leistungsorientierung des KDG wird nicht gerüttelt. "Wir sind gymnasial. Das ist in der Schule verankert", sagt Schneider. Dem Image, es würden viele auf der Strecke bleiben, hält sie Fakten entgegen: "Wir sind von jedem, den wir aufnehmen, überzeugt, dass er es schaffen kann. Von 125, die jetzt in fünf fünften Klassen anfangen, dürften 120 zum Abitur kommen. Aktuell stehen nur sieben Nachprüfungen auf dem Programm und wir haben pro Stufe vielleicht drei Sitzenbleiber."

Beim Fordern kommt das Fördern nicht zu kurz. So kommt jetzt ein neues Modell zum Tragen. Mentoren aus der Oberstufe werden sich in Kleingruppen um Jüngere kümmern. Außerdem wird jeweils ein Lehrer dabei sein. Das Betreuungsverhältnis soll bei 1:1 oder 2:1 liegen.

Rückhalt zeigt das Kollegium auch bei Neuerungen für sich selbst. So steckt ein Jahr Vorbereitung in der Verbesserung der Teamarbeit durch mehr Kommunikation. Jede neue Klasse fünf beginnt jetzt mit zwei Klassenlehrern - einer Frau und einem Mann. Das macht es ratsuchenden SchülerInnen leichter, ebenso können die Lehrkräfte durch permanenten Austausch profitieren. Synergien sollen auch durch Jahrgangsstufenteams entstehen. Zum Beispiel aller Englischlehrer der Stufe zehn. Es ist ein Schritt weg von der geschlossenen Tür, hinter der jeder Pädagoge macht, was er will. Und einer hin zu einem kooperativen System, in dem sich die Lehrer gegenseitig befruchten.

Neu neben Schneider ist Burkhard Schepers, der bereits kommissarisch als Stellvertreter wirkt. Wie einige andere aus dem Kollegium ist er Ex-Schüler des Gymnasiums. Das hilft bei dem, was Schneider wichtig ist. In der Stadt und der Region vernetzt zu sein.

Zu den Alleinstellungsmerkmalen wie der bilingualen Ausrichtung und dem Ganztag kommt bald auch Mint. Das KDG hat sich erfolgreich beworben und steht vor der Zertifizierung. "Wir können auch Naturwissenschaften, denn wir haben dafür die Leute und die Unterrichtsmöglichkeiten", sagt Karen Schneider. Dass in der Tradition des humanistischen Gymnasiums die Sprachen eine große Rolle spielen, versteht sich. Weiterhin wählen mehr Schüler Latein als Französisch ab Klasse sechs. Die Fachschaft ist groß, glänzt mit Projekten, dreht Filme, arbeitet spannend mit dem Archäologischen Park Xanten und bringt Schüler auch mit Latein zum Abitur. Griechisch könnte ebenso gegeben werden wie Russisch, doch hat im Wahlverhalten Spanisch die Nase vorn.

Apropos Tradition: Die Berufung auf das Jahr 1342 bringt das KDG in die glückliche Lage, 2017 das 675-jährige Bestehen feiern zu dürfen. Die Geburtstage 650 und 666 sind vielen vielleicht noch in guter Erinnerung. Was die von Schneider so geschätzte Schulkultur bewirkt, konnte gerade bei der Festwoche zum Abschied von Dr. Heinzgerd Schott bestaunt werden. In eine ähnliche Richtung könnte es im kommenden Jahr gehen. Und sollte die Stadt noch nicht wissen, was sie dem KDG schenken kann, wäre da die Erfüllung eines alten Wunsches zu nennen: Abriss der dahinrottenden Pavillons. "Dann könnten wir den Schulhof weiterentwickeln. Der Förderverein würde gern was investieren", sagen Karen Schneider und Burkhard Schepers.

(RP)
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