Kreis Wesel Die MIT kritisiert das Russland-Embargo

Kreis Wesel · Die CDU-Mittelstandsvereinigung Kreis Wesel diskutierte bei der Firma Lemken in Alpen die Sanktionen und ihre Folgen für den Mittelstand und die Landwirtschaft. Landeschef Hendrik Wüst kassierte "Abstimmungsniederlage".

 Seniorchef Viktor Lemken (links) begrüßte die MIT-Mitglieder zunächst zur Betriebsführung, ehe über Politik diskutiert wurde.

Seniorchef Viktor Lemken (links) begrüßte die MIT-Mitglieder zunächst zur Betriebsführung, ehe über Politik diskutiert wurde.

Foto: Armin Fischer

Wenn Politik auf harte wirtschaftliche Realität trifft, prallen bisweilen ziemlich unterschiedliche Wahrnehmungen von Wirklichkeit aufeinander. Die CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) hatte beim Besuch der Firma Lemken das Russland-Embargo und seine Folgen für den Mittelstand auf die Tagesordnung gesetzt. Nachdem MIT-Landesvorsitzender Hendrik Wüst die Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim politisch korrekt verteidigt hatte, kassierte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion am Ende einer engagiert geführten Diskussion eine deutliche Schlappe.

MIT-Kreisvorsitzender Christian Strunk hatte als Moderator der Runde über Wohl oder Übel der Sanktionen abstimmen lassen. Die überwältigende Mehrheit der gut zwei Dutzend Mitglieder folgte Wüst nicht, sondern schloss sich der Auffassung an, dass die Sanktionen gegen Putins Volkswirtschaft hierzulande weit mehr Schaden anrichten als sie außenpolitischen Nutzen bringen.

Vornehmlich Kreislandwirt Wilhelm Neu (Hamminkeln), Vize-Präsident der Rheinischen Landwirtschaftsverbandes (RLV), hatte die erheblichen negativen Folgen des Embargos für die hiesigen Landwirte beschrieben und finanzielle Kompensation gefordert. Lemken-Exportchef Dirk Hollinderbäumer machte deutlich, dass sich der Alpener Spezialist für Agrartechnik auf seinem einst zweitgrößten Auslandsmarkt seit zwei Jahren extrem schwertue: "Der Markt bricht weg."

Clemes Backhaus, Geschäftsführer der in Russland aktiven A-Tec-Anlagentechnik (Moers), hält die Sanktionen nicht nur für "unwirksam", sondern gar "mittel- und langfristig" für ruinös für westliche Unternehmen: "Die Folgen sind viel schlimmer als dargestellt wird", so Backhaus. Russland unternehme erhebliche Modernisierungsanstrengungen, um Produkte, die einst aus dem Westen kamen, zu ersetzen - entweder aus China oder durch eigene Produktion.

Mit dem Versuch, Russland zum Einlenken zu bewegen, werde genau das Gegenteil erreicht. Der produktive Vorsprung des Westens werde verspielt. Je länger das Embargo dauere, desto größer werde der nachhaltige Schaden. Landwirtschaftsfunktionär Neu brachte es auf eine einfache Formel: "Auch wenn das Embargo morgen fallen würde, wäre der russische Markt nicht mehr der, der er vorher war."

Neu bezifferte die Einbußen durch die wirtschaftlichen Sanktionen und in der Folge durch das Einfuhrverbot für westliche produzierte Lebensmittel auf jährlich 900 Millionen Euro - eine Halbierung der Umsätze. Der Fleisch- und Milch-Export sei auf Null abgestürzt. Indirekt seien die Folgen noch gravierender. Durch den Wegfall des russischen Marktes gebe es ein Überangebot landwirtschaftlicher Produkte: "Das drückt erheblich auf unsere Preise", sagte Neu. Er forderte spürbare finanzielle Hilfen für die Landwirte, denen die Politik enorme Belastungen auferlege. "Aber bislang stoßen wir nur auf taube Ohren."

Der Lemken-Betriebsleiter Ausland erläuterte, dass sich russische Banken mit Krediten extrem schwertäten und es für Kunden schwierig sei, "unsere Produkte zu kaufen". Verschärft würden die Probleme durch den enormen Wertverlust des Rubels. "Das verteuert unsere Produkte und macht es für uns nicht einfacher." Hinzu komme, dass Landwirte hierzulande aktuell unter erheblichem wirtschaftlichen Druck stünden. Die Probleme würden durch die massiven Regenfälle noch verstärkt. "Am Ende fehlt den Landwirten das Geld für Investitionen", so Hollinderbäumer. Seniorchef Viktor Lemken appellierte an die Politik, "das Gespräch mit Putin" zu suchen, um das Embargo möglichst schnell zu beenden. Doch er habe nach allen Signalen, die er empfange, so Lemken, "keine große Hoffnung".

"Der Schlüssel liegt in Moskau", lautete die Position von MIT-Landeschef Hendrik Wüst. Er redete einer schrittweisen Deeskalationsstrategie das Wort. Wenn Russland die im Minsker Abkommen festgelegten Schritte hin zum Frieden im Dombass erfülle, könne Europa im Gegenzug die wirtschaftlichen Zügel wieder lockern.

(RP)
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