Wesel Ein Höhepunkt des Kirchen-Konzertjahres

Wesel · Das Kölner Barockensembles "Nel Dolce" spielte im Dom Stücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

"Aus vollem Herzen" - ja, diese Formulierung stimmte, aber als ernstzunehmende Beschreibung des Einsatzes von Menschen, die sich in ihrer schöpferisch ausgerichteten Ganzheit darbringen. In der Kunst zum Beispiel, denn nur so kann sie die Menschen erreichen. Wie am Sonntagabend in der Heresbach-Kapelle des Weseler Willibrordi-Domes. "Frühlingshafte Instrumentalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts" hieß der Untertitel der Kammermusik des Kölner Barockensembles "Nel Dolce".

Zum Mittsommer eine festliche musikalische Darstellung des immer wiederkehrenden Aufbruchs in der Natur und die Feier ihres Zenits - und mittendrin der Mensch. Die Gäste - Wissende, Kenner und neue Hörer - alle hin und weg und vor allem dankbar. Dem Kantor Ansgar Schlei, der solches möglich macht. Die geistig anverwandelte, also rational analysierte und emotional verinnerlichte, sodann schlackenfrei in ihrer Eleganz erweckte Musik des Barock wurde zu einem Höhepunkt des Konzertjahres in der Kirche. Leider ohne die Anwesenheit eines Pfarrers der Stadtgemeinde.

Natürliche Lebenskraft und Sinnenfreude strahlten auf, kapitelweise, somit ohne lange Klatsch-Unterbrechungen der allseitigen Konzentration. Samuel Howards Bühnenmusik aus der Harlequinade "Amorus Goddess". Stephanie Buyken (Blockflöte), Olga Piskorz (Violine), Harm Meiners (Violoncello) und Luca Quintavalle (Cembalo), ein jeder solistenreif und klangrein, konzertierten aus einem Guss, unspektakulär. Schwierigkeiten? Keine zu bemerken. Aber die pure Schönheit und Eleganz der von der Kölner Hochschule für Musik und Tanz geprägten darstellenden Kultur. Es gingen sofort ins Ohr das Versprechen der Ouvertüre, das Allegro mit dem Geigen-Solo, die anmutige Musette, das feine Minuet, das Lichtflirren des Schlusses mit Several Tunes. Alles, was Freude macht.

Thomas Morleys "Springtime mantleth every bouch", dieses Madrigal singt Stephanie Buyken, berückend klar, ohne hörbares Atmen, ohne dass eine Anstrengung zu ahnen wäre, jedoch die Offenheit für weitere Entwicklung. Das ist Können. Es gilt für das ganze Ensemble. Im selben Kapitel nun Marco Uccellinis "Hochzeit der Henne und des Kuckucks" - oh, diese gelassene Heiterkeit der vorsichtig gackernden Henne und des forsch rufenden Kuckucks! Danach das kleine Weh von Giovanni Battista Buanamentes "Cavaletto zoppo", des verletzten Pferdchens; Tarquinio Merulas wichtige Henne "La Gallina"; und noch einmal Morley mit dem Madrigal "Now is the month of Maying". Welch nobler Humor!

Fabelhaft die Geige in der "Sonata representativa in A" für Violine und Basso continuo des seinerzeit berühmten Geigenvirtuosen Heinrich Biber von Bibern. Da sang die ganze Tierwelt, überhöht vom Traum der Nachtigall. Mit Morleys Madrigal "Sing we and chant it" ging's dem Ende zu: Nicola Matteis' "The third part, Second treble" aus "Ayres for the violin" - mitreißend im Zugriff auf die Möglichkeiten des Lebens. Der aufbrandende Applaus wollte nicht enden. Sehr verdient. Als Dank ein Satz von Prowo, jüngst ausgegraben. Prof. Stephan Görg, Wesel, freute sich über die Meisterschaft seiner früheren Studenten.

(hb-)
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