Wesel Ernest Kolman wird Ehrenbürger Wesels

Wesel · Der letzte noch lebende ehemalige jüdische Bürger der Stadt wird 90 Jahre alt. Erinnerung und Versöhnung sind die herausragenden Leistungen des Mannes, der 1939 nach England in Sicherheit gebracht werden konnte.

 Sieht sich selbst als "Mahnmal auf zwei Beinen": Seit 1988 war Ernest Kolman mehr als 30 Mal in seiner Heimatstadt Wesel und hat dabei immer wieder besonders den Kontakt mit jungen Leuten gesucht.

Sieht sich selbst als "Mahnmal auf zwei Beinen": Seit 1988 war Ernest Kolman mehr als 30 Mal in seiner Heimatstadt Wesel und hat dabei immer wieder besonders den Kontakt mit jungen Leuten gesucht.

Foto: Ekkehart Malz

Zwar sind es mehr die Kampfabstimmungen, die im Gedächtnis haften bleiben, doch sind einmütige Beschlüsse des Weseler Rates gar nicht so selten. Wenn aber die Spitzen aller politischen Fraktionen sich ein Stelldichein geben, um mit Bürgermeisterin und Erstem Beigeordneten ein Vorhaben zu verkünden, dann ist das was Besonderes. Gestern Mittag taten sie es und setzten damit ein starkes Signal: Ernest Kolman wird Ehrenbürger. Das ist die verdiente Auszeichnung für außergewöhnliche Leistungen und ein Zeichen gegen Fremdenhass, Diffamierung und Ausgrenzung.

Ernest Kolman, als Ernst Kohlmann am 1. Juni 1926 in Wesel geboren, ist nicht irgendwer. Der Mann, der nun bald 90 wird, hat sich in bemerkenswerter Weise um Erinnerung, Versöhnung und Völkerverständigung verdient gemacht. Seit 1988, dem 50. Jahrestag zur Pogromnacht, hat er mehr als 30 Mal seine Heimatstadt besucht, stets den Kontakt zu jungen Leuten gesucht und als Zeitzeuge von der Verfolgung in der NS-Zeit berichtet. Heute ist er der letzte männliche noch lebende ehemalige jüdische Bürger der Stadt.

Mit seinen Eltern Martin und Frieda, die ein Textilgeschäft betrieben, und mit seiner älteren Schwester Margrit lebte der kleine Ernst bis 1934 in Wesel. Dann ging die Familie nach Köln, wo er zunächst die städtische israelitische Schule und dann das Jüdische Realgymnasium Jawne besuchte. Letzteres organisierte im Januar 1939 einen ersten Kindertransport, mit dem auch Ernst nach England in Sicherheit gebracht werden konnte. Seine Eltern wurden 1941 deportiert und 1944 in Riga ermordet, Margrit überlebte die Deportation und Aufenthalte in mehreren KZs, ging mit ihrem späteren Mann in die USA. Sie lebt in Chicago.

Der künftige Ehrenbürger Wesels wurde 1947 Brite und anglisierte seinen Namen zu Ernest Kolman. Er heiratete Eve Kolman, die 2013 starb und mit der er zwei Kinder hat. Was Kolman unter den Nationalsozialisten erlebte, hat er nie vergessen. Ebenso ist aber auch Wesel eine Herzenssache für ihn geblieben. Der 1988 für ehemalige Weseler Juden ausgerichtete Empfang hat vieles in Bewegung gesetzt. Die damalige Stadtarchivarin Jutta Prieur brachte das Buch "Auf den Spuren der Juden in Wesel" heraus. Aus engagierten und interessierten Leuten um Stadtdirektor Günter Faßbender wurde der Verein Jüdisch-christlicher Freundeskreis. Ein Mahnmal am Dom erinnert heute an die Weseler Juden, es gibt regelmäßig zum Pogromgedenken Lichtergänge, Veranstaltungen von und mit Schülern, das Verlegen von Stolpersteinen und eine Gedenktafel für gefallene Soldaten jüdischen Glaubens im Ersten Weltkrieg. Eine treibende Kraft ist noch immer Ernest Kolman, der sich selbst als "eine Art Mahnmal auf zwei Beinen" sieht und erst vor vier Wochen zur Woche der Brüderlichkeit in Wesel war.

Wie Bürgermeisterin Ulrike Westkamp sagte, fühlt Kolman sich geehrt, dass die Stadt nun die höchste Würde an ihn heranträgt, die sie vergeben kann. Jürgen Linz (CDU), Ludger Hovest (SPD), Ulrich Gorris (Grüne), Peter Berns (FDP), Thomas Moll (WfW), Ulrich Kuklinski (Linke und Manfred Schramm (WWW/Piraten) untermauerten dies.

(RP)
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