Die Luftlandung der Alliierten vor 70 Jahren Erst Trommelfeuer, dann Fallschirmjäger

Wesel · Hajo Ossmann (85) aus Wesel erlebte im März 1945 am Weißenstein in Hamminkeln die Operation "Varsity" mit.

Den Untergang seiner Heimatstadt Wesels im Bombenhagel des Februars 1945 beobachtete Hans Josef (Hajo) Ossmann von Hamminkeln aus. Die Familie des damals 15-Jährigen war auf dem Hof Rahmann untergebracht, weil die Abteilung des Landratsamtes, in der sein Vater arbeitete, aufs nahe Gut Weißenstein ausgelagert worden war. Bis zur Bombardierung Wesels, so Hajo Ossmann heute, war es ein fast idyllisches Leben. Ende März kam das Grauen auch nach Hamminkeln.

Ossmann erinnert sich noch gut an den 23. März. Die Artillerie der Alliierten hatte am späten Nachmittag mit einem sich steigernden Trommelfeuer begonnen. Hofbewohner und Soldaten einer einquartierten Zahlstelle suchten Schutz in einem kleinen Bunker. Am nächsten Morgen endete der Beschuss. Stattdessen sahen die aus dem Bunker ans Licht gekommenen Menschen nun ganz niedrig fliegende Zweimotorige mit Lastenseglern im Schlepp. Außerdem sprangen englische Fallschirmjäger ab. Also zurück in den Bunker.

"Weil der aber nur für Zivilisten bestimmt war, forderte meine Mutter die Soldaten auf, ihn zu verlassen. Sie weigerten sich", schildert Ossmann, der von der Mutter mit einem weißen Taschentuch nach draußen geschickt wurde. Die Engländer hatten Maschinenpistolen im Anschlag und grün gefärbte Gesichter. "Die Zivilisten wurden zur Seite gebeten, die Soldaten bekamen jeder einen Tritt in den Hintern und meine zehnjährige Schwester ein Stück Schokolade", sagt Ossmann.

Die Luftlandung war aber kein Spaziergang. Deutsche Pioniere hatten das Feuer auf die landenden Fallschirmjäger eröffnet. Zwei von ihnen waren in den Bäumen vor den Pferdeställen hängengeblieben. "So waren sie ein trauriges Ziel der deutschen Schützen", berichtet Ossmann. "Auch drei amerikanische Soldaten waren auf dem Hof gefallen. Sie hatten ungeschützt die Lastensegler verlassen." Schließlich erkannten die Pioniere die Überlegenheit der Gegner und gingen in Gefangenschaft. In den nächsten Tagen offenbarte sich Ossmann das ganze Ausmaß der riesigen Luftlandeaktion, die als Operation "Varsity" in die Geschichte eingehen sollte.

Die Wiesen rund um den Hof standen voll mit Lastenseglern. Stabile englische, die auch kleiner Fahrzeuge und Geräte tragen konnten, und leichte amerikanische, die wohl nur für den Truppentransport vorgesehen waren. Nach dem Weiterzug der ersten Kämpfer kamen Nachschubeinheiten, belegten den Hof und requirierten Brauchbares. Ein Offizier fand im Zimmer der Ossmanns in einer Schublade einen Rosenkranz und fragte die Mutter nach der Religion. "Wir Rom - Papst!" reichte, um das Requirieren zu stoppen. Ossmann hatte dennoch einen Verlust zu beklagen, den er "bis heute den Amerikanern übel" nimmt. Sie hatten sein Motorrad, eine Tornax 125, geklaut,

(RP)
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