Niederrhein Flüstersteine als Zeugen der Befreiung

Niederrhein · Zwei Findlinge in Kleve sollen in eine neue Kampagne der Stiftung "Liberation Route Europe" eingebunden werden.

 Der Flüsterstein an der Heideberger Mauer in Kleve erinnert an die Zerstörung der Stadt im Oktober 1944.

Der Flüsterstein an der Heideberger Mauer in Kleve erinnert an die Zerstörung der Stadt im Oktober 1944.

Foto: mgr

Still liegt er in Verlängerung der alten Stadtmauer an der Heideberger Mauer in der Klever Oberstadt. Still und grau, ein Findling, wie ihn die Eiszeit mitgebracht haben könnte. Den grauen Findling aber schmückt eine leider jetzt schon vom Wetter angegriffene Tafel, darauf das Bild einer völlig zerstörten Stadt. Kleve. Es ist einer der Flüstersteine, die in der "Liberation Route" die Geschichte der Befreiung Europas von den Nationalisten erzählen. In Kleve liegen zwei Steine: Neben dem an der Heideberger Mauer ein weiterer an der Kriegsgräberstätte Donsbrügger Heide. Beide sollen in eine neue europäischen Kampagne eingebunden werden.

Als in Kleve der Stein im März 2015 aufgestellt wurde, hatte Wiel Lenders vom Befreiungsmuseum in Groesbeek betont, dass die Steine, die derzeit zwischen Südengland und Danzig den "Weg in die Freiheit" im letzten Kriegsjahr nachzeichnen, in Zukunft Europa vor einem kollektiven Gedächtnisverlust bewahren sollen. Dass in Kleve Niederländer und Deutsche beisammenstehen, zeige, dass ein gemeinsames Europa möglich sei. Es sei wichtig, dass die Fakten gesammelt wurden, wo aus der Erinnerung an den Krieg Geschichte werde, so Lenders.

In Erinnerung an die Befreiung Europas von den Nazis durch die Alliierten vor 75 Jahren werden 2019 und 2020 Hunderte von Gedenkfeiern organisiert. Auch die Stiftung "Liberation Route Europe" startet eine internationale Kampagne: "Europe Remembers 1944-1945" soll es mit zahlreichen europäischen Regionen, Museen, Städten und Gemeinden sowie den Tourismusorganisationen heißen. Diese internationale Kampagne habe Anfang des Monats auf einer Konferenz in Brüssel mit etwa 300 Teilnehmern begonnen, als Vertreter der Stadt Kleve sei der stellvertretende BürgermeisterJosef Gietemann dabei gewesen, so Stadtsprecher Jörg Boltersdorf.

Der Stein der "Liberation Route" ist eine traditionelle Form des Gedenkens, des Anhaltens, um sich der Geschichte zu vergegenwärtigen. Im Rheinland sind es "Hagelkreuze", die an Unwetter erinnern, darin gemeißelt Ort, Datum, Stifter, eine kurze Schilderung des Unbills. In Kleve ist es der Flüsterstein, der an die größte Katastrophe der Stadt erinnert, an den 7. Oktober 1944, an dem Kleve und all seine Schönheit ausgelöscht wurde. Der Stein der "Liberation Route" ist traditionell wie mulimedial. Ein QR-Code lädt dem Besucher eine Fotostrecke und ein Audio-Botschaft aufs Smartphone. Die zerstörte Schwanenburg, Blicke über die Trümmer der Stadt. Man erfährt, dass ab September 1944 alliierte Jagdbomber die Stadt angreifen, Zeitzeugen werden zitiert, es wird von der Angst der Zivilbevölkerung, ob zuerst Soldaten oder Bomber kommen, berichtet. Es kommen die Bomber: Am 7. Oktober greifen Lancaster und Halifax-Flugzeuge die Stadt an. Um 13.42 Uhr ist der Auftrag ausgeführt, heißt es. 1730 Tonnen Spreng- und Brandbomben wurden abgeworfen. 526 zivile Opfer wurden gezählt.

Der stellvertretende Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, war Redner auf der Konferenz in Brüssel. Er forderte, dass die Festlichkeiten deutlich machen sollten, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit sei. Darüber hinaus gelte es, "zu erinnern, zu reflektieren und zu inspirieren", so Timmermans. So, wie man es an den Steinen der Liberation-Route macht. "Die Wahrheit gibt es in der Geschichte der Kriege nicht. Deshalb ist es sehr wichtig, die verschiedenen Perspektiven zusammen zu bringen", sagt Josef Gietemann. Das übernehme die "Liberation Route Europe", beginnend mit dem D-Day in der Normandie. "An der Liberation Route gefällt mir der Wille aller Beteiligten, über Grenzen hinweg zusammenzuwirken, der Wille, in der Konsequenz aus dem Grauen des Zweiten Weltkrieges über alle Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Eine gemeinsame Institution für den Frieden in Europa ist wie ein Immunsystem gegen den Krieg", sagt Josef Gietemann, der einen weiteren Stein in Rindern plant.

(mgr)
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