Hamminkeln Gunhild Sartingen - politische Kämpfernatur

Hamminkeln · Die Marienthalerin (73), SPD-Fraktionschefin im Düsseldorfer Regionalrat, beendet morgen nach 40 Jahren ihre politische Laufbahn.

Gunhild Sartingen – politische Kämpfernatur
7 Bilder

Gunhild Sartingen – politische Kämpfernatur

7 Bilder

Es klingt wie Routine. Morgen tagt der alte Düsseldorfer Regionalrat zum 57. und letzten Mal. Doch es ist eine ganz besondere Sitzung. Denn mit ihr geht in der Landeshauptstadt eine politische Laufbahn zu Ende, die vor 40 Jahren im beschaulichen Marienthal begonnen hat. Gunhild Sartingen (73), Fraktionschefin der SPD im Regionalrat, wechselt in den politischen Ruhestand. Nicht mal schweren Herzens. Aber zugegeben mit der Freude, dass es Menschen gibt, "die das bedauern". Dabei fühle sie sich eigentlich noch gar nicht so richtig "politikmüde", sagte sie.

Aber da für Marienthal nun der Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) maßgeblich sei, könne sie dem Gremium in Düsseldorf nicht mehr angehören. "Das Gesetz will es, und es ist gut so", sagt Sartingen und zieht eine knappe, fast nüchterne, dennoch aussagekräftige Bilanz: "Es hat sich gelohnt. Ohne Politik wäre mein Leben längst nicht so interessant verlaufen."

Interessant könnte durchaus auch für wechselvoll stehen. Gunhild Saringen hat manche Höhen, aber auch einige Tiefen durchschritten. Sie hat bittere Niederlagen einstecken müssen. Vornehmlich zu Hause bei den Genossen in Hamminkeln, mit denen sie sich vor zehn Jahren überworfen hat. Seither ist es nie wieder zu einer Annäherung, geschweige denn einer Versöhnung gekommen. "Ich hab' das abgehakt", sagt sie. Es klingt, als ginge es nicht allen so.

Es war nach der Wahl 2004. Gunhild Sartingen hatte bei zwei Urnengängen vorher als Spitzenkandidatin der SPD das Rennen im direkten Duell ums Bürgermeisteramt deutlich verloren: 1999 gegen Heinrich Meyers, nach dessen Tod 2001 gegen Holger Schlierf. Diese Niederlagen hatten nicht geschmerzt. "Das Schmerzhafteste war ein Knöllchen auf der Heimfahrt nach dem Wahlabend", erinnert sie sich.

Doch dass ausgerechnet ihre eigene Fraktion sie nach zehn Jahren ("Ich hätte das gern noch weitergemacht") nicht mehr als Vize-Bürgermeisterin haben wollte, traf sie schwer. Weil Bernd Störmer seine Ansprüche durchsetzte, zog sie die Konsequenz: Sie legte ihr Ratsmandat nieder und kehrte den Genossen im Rathaus "menschlich enttäuscht" den Rücken. "Ich bin noch heute stolz auf meine Frau", sagt Jürgen Sartingen (74), der ihr politisches Engagement immer mitgetragen hat. Der Bruch ist endgültig. "Aber ich bleibe immer ein politischer Mensch in der SPD."

Die Politik habe sie schon als Kind in Mecklenburg-Vorpommern im Herzen getragen. Und die hat sie schon als Schülerin im Arbeiter- und Bauernstaat schmerzlich an ihre Grenzen geführt. "Die Gedanken sind frei" - Das hat sie wörtlich genommen. Das gefiel der Obrigkeit nicht. Als 16-Jährige musste sie Eltern und Geschwister zurücklassen und rüber in den Westen.

Über ein "Heim für gefallene Mädchen" in Berlin kam sie 1958 in ein Internat nach Hilden. Hier lernte sie einen jungen Mann aus Dinslaken kennen. Ausgerechnet vorm Fernseher beim WM-Spiel Deutschland gegen Argentinien in Schweden. "Ich hab' die Wette gewonnen", sagt sie zu ihrem Mann.

Die beiden heirateten und studierten auf Lehramt. Gunhild Sartingen bekam drei Kinder. Erst nach der Mutterphase konnte sie ihr Studium zu Ende bringen. Ihre erste Stelle als Lehrerin war an der Fröbel-Schule in Dinslaken, eine Sonderschule. Sie hatte damals das Gefühl: "Hier stimmt was nicht. Die Kinder waren nicht behindert, sondern sozial benachteiligt, brauchten Förderung." Ihre Konsequenz: Sie hat Sonderpädagogik studiert.

Über die Janusz-Korczak-Schule in Möllen kam die Pädagogin als Schulleiterin an die Friedrich-Ebert-Grundschule in Kamp-Lintfort. Hier hat sie, von vielen Fachleuten anerkannt, Maßstäbe gesetzt für die Integration geistig behinderter Kinder, lange bevor Inklusion auf die politische Agenda kam. Nicht zuletzt dafür wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der ehemalige Regierungspräsident Jürgen Büssow hat's überreicht. "Wenn Finanzen und Personal stimmen, funktioniert Inklusion", sagt sie. An ihrer Schule hat's gepasst. "Da haben meine parteipolitischen Kontakte bis in die Ministerien hinein wirklich geholfen."

Schule war immer ein politischer Schwerpunkt. Sie hat sich Mitte der 90er vehement reingehängt, in Hamminkeln eine Gesamtschule hinzukriegen. Die leidenschaftlichen Debatten damals hatten unzweifelhaft das Zeug, Sternstunden für demokratischen Meinungsstreit in der Kommunalpolitik genannt zu werden. Die SPD mit ihrer Wortführerin Gunhild Sartingen musste sich schließlich der CDU unter Führung von Heinrich Meyers, dem anderen großen Marienthaler Schulpolitiker, geschlagen geben. Bis es nun - 20 Jahre später - doch anders kam. "Manchmal dauern Dinge eben", sagt sie mit einer gewissen Genugtuung.

Mit Heinrich Meyers, ihrem übermächtigen Widersacher auch bei den Bürgermeisterwahlen, habe sie politisch hart gefochten. Aber persönlich habe man sich gut verstanden. "Wir waren in einem Kegelklub. Unsere Kinder gingen zusammen zur Schule." Familie, das ist Gunhild Sartingen immer wichtig gewesen. Sie ist ein Familienmensch. Ihre acht Enkelkinder seien ein Jungbrunnen.

Und ihr Häuschen am Isselmannsweg jottwehdeeh - ganz weit draußen im Grünen an der östlichen Stadtgrenze. Das ist die Basisstation. Hier steigt sie mit Mann Jürgen nun noch öfter in die "Concorde". Kein Flugzeug, sondern ein bodenständiges Wohnmobil. Damit geht's ins europäische Ausland. Wie nach England. Nicht weil da Linksverkehr gefahren wird, sondern weil's schön dort ist. In Cornwell haben die Beiden die Grabstelle von John Pasco ausfindig gemacht. Gunhild Sartingens Ururgroßvater war hierhin ausgewandert. Vermutlich, weil ihm irgendwas zu Hause nicht passte.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort