Niederrhein Herr Litti und die japanische Höflichkeit

Niederrhein · Die Universität Duisburg-Essen hat eine Fotoausstellung zur Fan-Kultur in Japan eröffnet. Gastredner Pierre Littbarski sprach über seine Zeit in Fernost. Der Ex-Fußballer gewährte dabei überraschende Einblicke.

 Forscher Rabe war Gast der Ultras von Kashiwa Reysol. Er bekam von ihnen den Namen "Held-Benjamin"

Forscher Rabe war Gast der Ultras von Kashiwa Reysol. Er bekam von ihnen den Namen "Held-Benjamin"

Foto: rabe

Pierre Littbarski hatte japanisches Naschwerk mitgebracht. Offensichtlich hatte er mit Zuhörern aber nicht gerechnet, denn die Süßigkeiten reichten einfach nicht für alle. Das Institut für Ostasienwissenschaften ("In- East") der Universität Duisburg-Essen hatte ins Mercatorhaus an der Lotharstraße eingeladen, um über den Fußball in Japan und speziell über die dortige Fan-Kultur zu informieren.

Zu dem Projekt gehört auch eine Fotoausstellung zum gleichen Thema, die noch bis zum 31. März in der 7. Etage des LE-Gebäudes auf dem Duisburger Campus besichtigt werden kann. Die Fotos stammen von Benjamin Rabe, der im Rahmen seiner Forschungsarbeiten sich oft für längere Zeit in Japan aufhält.

Ersten Kontakt zum japanischen Fußball erhielt der Fan des VFL Wolfsburg vor sechs Jahren, als er im Rahmen eines Praktikums sich für mehrere Monate im "Land der aufgehenden Sonne" aufhielt. Rabe bekam schnell Kontakt zu den Fans des Erstliga-Clubs Kashiwa Reysol: "Die Fans haben mich dort direkt herzlich aufgenommen, ich gehörte schnell dazu."

Der japanische Fußball wurde aber nicht nur aus Sicht der Fan-Szene beleuchtet, mit Gastreferent "Litti-San" ("Herr Litti") schilderte ein Fußball-Profi aus erster Hand, wie der Fußball "in Japan tickt". Der deutsche Ex-Nationalspieler Pierre Littbarski spielte von 1993 bis 1997 dort in der "J1-League", der höchsten Spielklasse. Anschließend trainierte er für eine Saison den Yokohama FC, bevor er in Japan seine Zelte endgültig abbrach.

"Was soll ich da, ich kenn' das Land doch gar nicht", hatte sich der Außenstürmer mit den Säbelbeinen zuerst skeptisch gezeigt, als er nach seinem letzten Jahr beim 1. FC Köln mit dem Vorschlag konfrontiert wurde, seine Karriere in Japan ausklingen zu lassen. "Ich hab aber dann mit meinem Steuerberater gesprochen", sagte Litttbarski. Und der hatte offensichtlich überzeugende Argumente für ein Engagement in Japan parat.

Zu Beginn war es für den früheren deutschen Nationalspieler in seiner neuen sportlichen Heimat nicht einfach. "Ich musste sogar den Schiedsrichtern die Regeln erklären, die Vorteilsauslegung kannten die wohl nicht, die haben ständig gepfiffen." Auch die Dolmetscher waren offenbar nicht immer auf der Höhe. "Man hat mich immer falsch übersetzt", sagte Littbarski. "Die Fans haben bestimmt gedacht, ich hätte einige Kopfbälle zu viel gemacht."

Total ungewöhnlich war für den gebürtigen Berliner auch das Fan-Verhalten. "Wir hatten mal fünf Spiele hintereinander verloren, die Fans haben uns trotzdem gefeiert und motiviert."

Benjamin Rabe kennt mittlerweile die Seele der japanischen Ultras gut: "Die Fans dort haben nur ein Ziel. Sie wollen mit allem, was sie tun, ein Plus für das Team sein." Das beginnt schon weit vor dem Spiel. Rabe: "Viele übernachten vor dem Spieltag vor dem Stadion, um so ihre Verbundenheit mit der Mannschaft zu demonstrieren." Bevor der Ball rollt, trifft man sich zum gemeinsamen Gebet.

Vor dem Spiel selbst wird das eigene Team mit eigenen Fan-Songs unterstützt. Das beginnt, sobald der erste Akteur zum Aufwärmen den Rasen betritt. Dabei läuft alles positiv ab, Hass- und Schmähgesänge auf den Gegner sind dort völlig unbekannt, alles ist von großem Respekt geprägt.

Während hier oft ganze Hundertschaften aufgeboten werden, um marodierende Fan-Gruppen auseinanderzuhalten, reicht dort ein Polizist aus, der das Geschehen im Blick behält. Und nach dem Spiel reinigen die Fans auch noch gemeinsam ihr Stadion ("Der Müll wird akribisch getrennt").

"Waren sie schon mal nach einem Spiel in Dortmund?", fragte "Litti" in die Runde. Die Antwort wartete er gar nicht erst ab: "Da sieht es nach dem Spiel wie auf einem Schlachtfeld aus."

Und ob demnächst die Fortuna-Fans in der MSV-Arena von den heimischen Ultras so wie in Japan begrüßt werden, ist eher unwahrscheinlich.

Vergleichbar müsste es dann nämlich heißen: "Willkommen in Duisburg. Schön, dass Sie hier sind. Viel Spaß beim Spiel."

(RP)
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