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Ludger Hovest "Ich bin Politiker und kein Diplomat"

Wesel · Die Verkörperung der SPD in Wesel: Ludger Hovest (64) ist nach 30 Jahren weiter an der Parteispitze und kein bisschen leise.

 SPD-Chef Ludger Hovest liebt seinen Garten und pflegt ihn auch gern. An einen Rückzug aus de Politik denkt er aber noch lange nicht.

SPD-Chef Ludger Hovest liebt seinen Garten und pflegt ihn auch gern. An einen Rückzug aus de Politik denkt er aber noch lange nicht.

Foto: Ekkehart Malz

Seit genau 30 Jahren sind Sie Vorsitzender der SPD Wesel. Jetzt hat die Stadtverbandsversammlung der Partei Sie erneut bestätigt. Wie lange wollen Sie das Amt noch ausfüllen?

Ludger Hovest Der Stadtverband hat mich erstmal für die nächsten vier Jahre gewählt. Fraktionsvorsitzender bin ich auch schon 26 Jahre. 2017, zur Halbzeit der Wahlperiode, wird die Fraktion neu entscheiden. Danach werden wir sehen. Es hängt auch immer von der Gesundheit ab.

Arbeiten Sie denn schon an einem Nachfolger?

Hovest (lacht) Ich gehe davon aus, dass der schon geboren ist. Ich habe mir keine Deadline gesetzt, aber ich denke darüber nach. Den ganzen Tag im Garten zu sitzen, fände ich allerdings ein wenig langweilig. Meine Aufgaben halten mich fit. Ich fahre fast nur mit dem Rad. Auch zu Terminen in Dinslaken und Rheinberg.

Wollten Sie jemals selbst Bürgermeister werden?

Hovest Nein, das Amt braucht eine andere Persönlichkeit. Wie Ulrike Westkamp. Sie macht das doch super.

Weil Sie ihr Ärger vom Hals halten ...

Hovest Die Bürgermeisterin regiert, der Fraktionsvorsitzende sucht die Mehrheiten.

Das ist in Wesel eine Sache für sich.

Hovest Für den Fraktionsvorsitzenden gibt es hier besondere Voraussetzungen, weil es seit der kommunalen Neuordnung 1975 bei Wahlen keine klaren Mehrheiten mehr gegeben hat. Ich habe mit der CDU jetzt schon den dritten Koalitionsvertrag gemacht. Darin müssen sich beide wiederfinden. Das haben wir, finde ich, mit den jüngsten Vereinbarungen über den Haushalt auch hervorragend gemacht. Und, das ist die besondere Kunst, auch noch die FDP und die Grünen mit ins Boot geholt. Manchmal ist es von Vorteil, keine klare Mehrheit zu haben. Der Zwang zu Kompromissen bewahrt einen auch vor ganz großen Fehlern. Zum Beispiel damals Dr. Rolf Haamann zum Stadtwerke-Chef zu machen. Das war ein Fehlgriff. Dazu muss man stehen.

Wie gehen Sie mit Kritik um?

Hovest Die überschlafe ich und ziehe dann meine Schlüsse daraus.

Sie gelten als Lautsprecher.

Hovest Ja, und das bin ich auch gerne. Politik muss transportiert werden. Was ich sage, können die Leute da für bare Münze nehmen. Ich bin durchsetzungsstark, auch wenn das am ersten Tag vielleicht nicht so aussieht. Das zeichnet mich gegenüber denjenigen aus, die nix zu sagen haben. Eine klare Botschaft ist kein Alleinstellungsmerkmal. Aber das pflege ich schon.

In Hamminkeln sind Ihre jüngsten Aussagen zur geplanten Sparkassen-Fusion mit Dinslaken nicht besonders gut angekommen.

Hovest Da müssen die ihre eigenen Leute aus de Gremien fragen, wenn sie keine Informationen haben. Sicher ist, alle sind bemüht, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Wir brauchen eine größere Einheit. Das haben nur noch nicht alle begriffen. Ich bin Sparkassen-Mensch durch und durch. Die Sparkasse ist bürgernah, sorgt für die Wirtschaftsförderung und ist wichtiger Sponsor. Wir müssen sie zukunftsfest machen.

Sie haben mir einmal gesagt, dass Sie kein Geld für teure Autos ausgeben, sondern lieber für Reisen. Sind Sie sparsam?

Hovest Ja. Und Schulden kann ich überhaupt nicht leiden.

Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Landrat Dr. Ansgar Müller?

Hovest Perfekt. Wir sind nur nicht immer einer Meinung. Menschlich ist das bestens, aber was er als Landrat macht, ist etwas Anderes. Ich will nicht, dass er Ulrike Westkamp einen Brief schreibt und ihr sagt, was sie zu tun hat. Deshalb haben wir ja den Kurs für die Finanzen vorgegeben, damit wir ein Haushaltssicherungskonzept vermeiden können.

In Ausschuss- und Ratssitzungen werfen Sie sich oft ganz schön was an den Kopf. Gehen Sie trotzdem hinterher noch zusammen ein Bier trinken?

Hovest Immer. (lacht) Ich bin von Freunden umzingelt. Ich bin Politiker und kein Diplomat. Man soll nicht drumherumreden, sondern ein Thema so benennen, wie es ist. Das dient auch oft der Mehrheitsfindung.

Was waren Ihre besten Entscheidungen?

Hovest An erster Stelle steht die Entscheidung für meine Frau. An zweiter die, 1980 nach Wesel zu gehen. Ich habe es gefühlt und gehofft, aber natürlich nicht gewusst. Ich wollte nicht in eine große Stadt, aber auch nicht in ein kleines Dorf. Hier haben wir alles: Kino, Gastronomie, Freizeitangebote - und ruckzuck ist man auch schnell woanders. Die Stadt ist schön. Das bescheinigen auch immer wieder Verwandte meiner Frau aus Frankreich.

Wie sieht Ihr Wesel in 20 Jahren aus?

Hovest Ich habe viele Visionen, dass Wesel noch schöner wird und wir die heutigen Probleme gelöst haben. Stillstand ist Rückschritt. Wir brauchen stabile Einwohnerzahlen über der 60 000er-Marke. Schon wegen der Schlüsselzuweisungen zur Gemeindefinanzierung. Ein Mittel dafür sind die neuen Baugebiete.

RP-REDAKTEUR FRITZ SCHUBERT FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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