Ludger Hovest "Ich kann auch nachgeben"

Wesel · Morgen formiert sich der neue Landtag mit der konstituierenden Sitzung. Die Weseler SPD ist nicht mehr mit einem eigenen Abgeordneten in Düsseldorf vertreten. Fraktionschef Ludger Hovest blickt nach der Schlappe auf die neue Rolle der SPD.

Herr Hovest, morgen muss für die SPD in Wesel ein schmerzhafter Tag sein. Der neue Landtag konstituiert sich, aber ohne einen Weseler SPD-Abgeordneten. Was bedeutet das für die Stadt?

Ludger Hovest Es ist natürlich bedauerlich, aber das war ja auch in früheren Zeiten schon so. 1985 bis 1995 saß ich im Landtag, danach CDU-Personal. Unser Kandidat, Norbert Meesters, hat bis zuletzt eine gute Arbeit für die Region gemacht. Das haben mir auch andere Bürgermeister aus dem Kreis bestätigt, die nicht das SPD-Parteibuch haben. Die CDU-Abgeordnete Charlotte Quik muss nun beweisen, dass sie auch Lobbyarbeit für Wesel und Region machen kann. Aber ich bin hoffnungsvoll.

Haben Sie schon Kontakt zu ihr gehabt?

Hovest Noch nicht, das wird sich ergeben.

Mit dem Abstand einiger Tage: Woran hat es gelegen, dass die SPD so schlecht abgeschnitten hat? Bei der Versammlung der SPD auf Kreisebene in der Niederrheinhalle unlängst hat man dazu nichts gehört.

Hovest Das war auch der Grund, warum ich zu der Versammlung nicht hingegangen bin. Man muss ganz klar über Personen reden, wenn man die Wahlanalyse betreibt. Das wird in der SPD zu wenig gemacht. Man muss schauen: Wer waren die Repräsentanten der SPD im Land? Ein Innenminister Ralf Jäger hätte meines Erachtens, auch wenn er für die Geschehnisse auf der Kölner Domplatte an Silvester nichts kann, nicht an seinem Ministerposten kleben dürfen. Frau Kraft selbst steht nicht so im Fokus, aber natürlich hat man in dieser Funktion auch eine gewisse Verantwortung. Sie hätte früher gegensteuern müssen. Es ist paradox: Es hat im Land keine richtige Wechselstimmung gegeben, und dennoch ist die SPD für Themen wie Innenpolitik, Schulpolitik und Umweltpolitik abgewählt worden.

Was hätte ein Ludger Hovest gemacht?

Hovest Naja, man darf nicht den Fehler machen, die Unternehmen bei der Entwicklung außen vor zu lasen. Da ist mir im Land zu wenig geschehen. Wir in Wesel sind ständig im Dialog, mit der Kiesindustrie, mit der IHK, mit dem Handel. Nur so geht es. Man muss Kompromisse finden.

Und Sie würden von sich sagen, dass Sie ein Mann des Kompromisses sind? Man nennt Sie doch auch den "König von Wesel".

Hovest Ich würde mich als kompromissbereit beschreiben, ich kann auch nachgeben. Was den Titel "König von Wesel" angeht: Ich habe keine Krone. Und ich zähle auch nichts auf diese Anrede. Aber natürlich kenne ich sie.

Warum sagen die Leute das über Sie?

Hovest Weil ich bei bestimmten Themen in der Stadt die Meinungsführerschaft habe. So falsch kann ich also nicht liegen, wenn ich für meine Themen und politischen Ideen immer Verbündete finde. In der "Fraktion Wesel" haben wir immer Mehrheiten zum Wohle dieser Stadt gefunden. Hier hat es seit Menschengedenken, ich glaube, seit 1968, keine absoluten Mehrheiten gegeben. Da muss man Koalitionen des Kompromisses schließen. Und ich bin hoffnungsvoll, dass das auch weiter so läuft. Große Mehrheiten haben nämlich immer größeres Gewicht - auch gegenüber dem Land oder dem LVR, die Geld für Wesel bringen.

Ist auf Landesebene Mike Groschek der richtige Mann für einen Neuanfang? Er war bisher schon prominenter SPD-Kopf im Land.

Hovest Ich traue ihm das zu. Die Partei muss neu aufgestellt werden und Mike Groschek ist der richtige Mann dafür, auch deshalb, weil er nicht mehr auf ein Amt schielen muss. Alle anderen jungen Kandidaten würden belastet an das Amt herangehen, weil sie noch eine Karriere anstreben. Ich kenne Mike Groschek persönlich gut, er war viele Jahre lang Fraktionschef der Oberhausener SPD im Rat. Er hat genug Erfahrung.

Die eigenen Stimmverluste sind das eine, schmerzhaft muss für Sie aber auch sein, dass die AfD parallel auch in Wesel deutlich hinzugewinnt.

Hovest Es ist bedenklich, die AfD holt 15 Prozent im Ruhrgebiet und fünf Prozent in Wesel. Das macht mich betrübt. Ich weiß, dass zur AfD auch viele Wähler gegangen sind, die früher SPD gewählt haben. Und das bei einem AfD-Direktkandidaten, den ich nicht ein einziges Mal politisch in Aktion erlebt habe. Ich habe auch keine Lust, mit ihm zu reden, aber mit den Wählern der AfD, mit denen will ich mich schon unterhalten.

Die nächsten Wahlen nahen - Bundestag, in drei Jahren Kommunalwahl. Welche Politik will die SPD bis dahin machen? Was sind Ihre großen Baustellen?

Hovest Wirtschaftspolitik wird einer unserer Schwerpunkte sein, da wird man von uns hören. Das ist der Schlüssel des Wohlstandes. Hohe Gewerbesteuern belasten Unternehmen, Grundsteuern den Bürger. Da wollen wir den Hebel ansetzen. Das Kirchturmdenken müssen wir aufgeben - beim Thema Delta-Port ist das im Dialog mit dem Kreis und Voerde schon gelungen. Die Verkehrsmaßnahmen müssen in gleichem Maße realisiert werden - B8n, Südumgehung, Autobahnanschluss Brünen. Wenn ich übrigens mit der Politik in Hamminkeln spreche, dann nennt mir jede Fraktion eine Stelle, wo die Umgehungsstraße, die für den Autobahnanschluss bei Brünen notwendig ist, auf keinen Fall verlaufen darf. Aber niemand sagt mir eine Stelle, wo sie definitiv verlaufen sollte. In Wesel haben wir es beim Thema Südumgehung doch auch geschafft. Hier haben wir einzelne Abschnitte definiert und für jeden Abschnitt eine Lösung gefunden. Am Ende wird die Straße in zwei bis vier Jahren fertig sein. Ein Gewinn für Wesel. Und diese Straße wird lärmschutztechnisch auf bestem Stand sein, mit Trogvariante und neuer Lärmschutztechnik.

Wenn man Sie so reden hört, dann hört man einen engagierten Politiker reden. Sie sind 67 Jahre alt. Wie lange machen Sie den Job noch? Und wer folgt auf Sie?

Hovest Über den Zeitpunkt meines Abtritts habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich bin ja schließlich gerade erst gewählt. Sie können sich sicher sein: Der, der auf mich folgt, ist schon geboren. Es wird einen geben. Wenn ich hier und jetzt tot umfiele, müsste schließlich auch jemand gefunden werden, der es macht.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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