Aschermittwoch Ich will verzichten, wirklich!

Wesel · Die Fastenzeit beginnt: 40 Tage lang sollen Christen Dingen entsagen, die ihnen wichtig sind. Warum eigentlich nicht?

Aschermittwoch: Ich will verzichten, wirklich!
Foto: Moll

Es war nicht besonders einfallsreich, das gebe ich gerne an dieser Stelle zu. Wenn mich in den vergangenen Jahren jemand danach gefragt hat, worauf ich ab Aschermittwoch verzichte, dann sagte ich stets: Zigaretten. Sie ahnen es bereits, ich bin Nichtraucher, und ein wenig schäme ich mich für diese erstaunliche Humorlosigkeit. In diesem Jahr aber soll alles besser werden. Ich will wirklich auf etwas verzichten, das mir wichtig ist. Nur auf was eigentlich? Und wie zur Hölle soll ich das durchstehen?

In meinem Umfeld höre ich von verschiedenen und abstrusen Ideen. Es gibt etwa Menschen, die wollen 40 Tage lang auf Plastik verzichten. Das bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Wenn es dem modernen Mitteleuropäer ohne Weiteres gelingen kann, sämtliche Produkte mit und aus Plastik im Alltag zu vermeiden, warum schaffe ich es dann nicht, Fast Food, Kuchen oder Chips links liegen zu lassen? Bin ich zu schwach? Zu undiszipliniert?

 Unser Autor Henning Rasche.

Unser Autor Henning Rasche.

Foto: Malz

Ich weiß, eigentlich geht es hier um den christlichen Glauben. Die Fastenzeit ist die österliche Bußzeit. Sie beginnt an Aschermittwoch und endet erst in der Osternacht. Weil die Sonntage nicht als Fastentage gelten, kommen die Christen auf "40 Tage ohne". Beten, fasten und geben sollen die Gläubigen in dieser Zeit, um an das Leiden und Sterben Jesu zu erinnern. Sich gegen Ungerechtigkeit und Not stemmen, helfen, Nächstenliebe zeigen. Sich also auf die Wurzeln des christlichen Glaubens besinnen.

Man könnte auf die Idee kommen, dass viele, die heute mit dem Fasten beginnen, zuvorderst das eigene Wohl im Kopf haben. Sich schlanker, schlauer und fitter machen wollen, um gesellschaftlich zu reüssieren, um sich besser zu fühlen. Und das ist ja mitnichten verwerflich, weil auch dieses vermeintlich egoistische Fasten einem Vieles abverlangt, vor allem Disziplin. Dennoch schadet es nicht, sich selbst hin und wieder aus dem Mittelpunkt herauszurücken, und zu schauen: Was kann ich für andere tun?

Plastik zu fasten klingt zunächst ungewöhnlich. Aber damit könnte man in Zeiten des Überflusses ein interessantes Zeichen setzen. Erst in der vergangenen Woche konnte man lesen, wie sehr die Ozeane von Plastikmüll überfüllt sind, und welche dramatischen Auswirkungen das hat. Auch den Verzicht auf Online-Shopping finde ich spannend. Durch den Konsum im Internet ist alles zu jeder Zeit verfügbar. Heute bestellt, schon am nächsten Tag wird das Farbband für die alte Schreibmaschine von Opa geliefert. Das kann doch nur zulasten unserer Ressourcen gehen, zulasten der Umwelt, zulasten von guten Arbeitsbedingungen.

Nun ist heute Aschermittwoch, und die Frage, auf was ich verzichten will, kann ich nicht mehr weiter herauszögern. Vielleicht doch Kuchen? Aber ich muss realistisch bleiben, es soll ja gelingen können. Nach zähen Beratungen mit mir selbst und anderen, habe ich mir vorgenommen, ab 18 Uhr keine Kohlehydrate mehr zu essen. Das ist erstens sehr egoistisch, weil damit niemandem außer mir geholfen ist. Das ist zweitens nicht besonders einfallsreich, weil "Low carb", also wenig Kohlenhydrate, im Trend liegt. Die Deutschen hungern sich glücklich, ich hungere 40 Tage mit.

Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum. Wozu tue ich mir das an? Schaffe ich es nicht, mich anlasslos zu disziplinieren, mich zu mäßigen? Die ernüchternde Antwort ist wohl: Ja, genauso ist es. Bereits zum Jahreswechsel hatte ich mir vorgenommen, zumindest wieder mehr Sport zu machen. Ohne Erfolg. Meine Arbeitszeiten lassen leider bestimmte sportliche Dinge nicht zu, also muss ich mich anpassen. Und um dieses Anpassen habe ich mich bisher, immerhin das wiederum, erfolgreich gedrückt.

Ich nehme den heutigen Aschermittwoch also als willkommenen Anlass, mich selbst zu disziplinieren. Das mag nicht besonders christlich wirken, aber vielleicht schafft es ja mein eigener Verzicht, mich für den Alltag insgesamt und für den Blick für andere zu öffnen. Das Problem ist ja nur, dass es keine Sanktionen gibt, wenn ich das Fasten doch brechen sollte. Möglicherweise mäßigt mich der Glaube.

(her)
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