Wesel Jetzt erst recht: CDU will frei aufspielen

Wesel · Nach den Austritten von vier Fraktionsmitgliedern: CDU-Spitze sieht sich von Last befreit. SPD rühmt sich als "nun größte Heimatfraktion" und hat Zusammenarbeit mit der neuen "Wir für Wesel" (WfW) eingestielt.

 Die Verlassenen: Sebastian Hense und Jürgen Linz.

Die Verlassenen: Sebastian Hense und Jürgen Linz.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Nach dem Schock vom Freitagabend hat sich die Spitze der CDU am Samstag gesammelt und in einer "Jetzt erst recht"-Reaktion auf den Austritt von vier Fraktionsmitgliedern und deren Gründung der neuen Fraktion WfW ("Wir für Wesel") die Reihen geschlossen. Man fühle sich von einer Last befreit, wolle nun politisch klar mit seriöser Sacharbeit aufspielen, hieß es in einer Erklärung. Hingegen bezichtigte Ludger Hovest (SPD) die Partei- und Fraktionschefs der CDU, Sebastian Hense und Jürgen Linz, der "Unfähigkeit und Naivität". Die CDU verliere mit der neuen Konstellation ihre Wirtschaftskompetenz, in diese Lücke werde die SPD als "dauerhafte größte Fraktion und einzige Heimatpartei springen".

Der WfW machte er ein Angebot zur Zusammenarbeit. Hilmar Schulz (WWW) kritisierte die Strategielosigkeit der CDU-Führung, die als stärkste Fraktion versäumt habe, nach der Kommunalwahl eine Mehrheit gegen den ewig regierenden Hovest zu bilden. Wie am Samstag exklusiv berichtet, sind Franz Bothen, Jürgen Lantermann, Thomas Moll und Patrick Tenhaeff aus der CDU-Fraktion ausgetreten und bilden nun die siebte Fraktion im Rat. Das verändert die Sitzverteilung massiv: SPD 19 Sitze (plus Bürgermeisterin Westkamp), CDU 17 (statt 21), WfW 4, Grüne 4, FDP 2, Linke 2, WWW/Piraten 2.

Während die neue WfW von "großer Zustimmung" nach dem RP-Bericht sprach, eilte der Partei- und Fraktionsvorstand der CDU am Samstag zur Krisensitzung. Linz sprach am Ende von der "erhofften und erwarteten Einheit als eingeschworene Gemeinschaft". Man sei froh, dass die lähmende Hängepartie mit den vier Aussteigern vorbei sei.

In einer Erklärung wird das so formuliert: "Den nicht unerwarteten Austritt von Bothen, Lantermann, Moll und Tenhaeff sieht die CDU Wesel als Befreiung und Chance, sich wieder ausschließlich auf politische Themen konzentrieren zu können. Viele Gesprächsangebote haben den Austritt nicht verhindert." Kritik von Moll und Bothen, die kurz nach der Wahl 2014 aus dem Fraktionsvorstand ausgestiegen waren, weist die CDU-Spitze zurück. "Sie waren Teil der Verhandlungskommission in den Gesprächen mit der SPD und haben - wie die gesamte Fraktion - das Ergebnis dieser Verhandlungen damals einhellig begrüßt", heißt es. Konkrete Vorschläge von ihnen seien nicht bekannt, sie hätten in den letzten Monaten die Fraktionssitzungen, Klausurtagungen und Ausschusssitzungen geschwänzt, während die CDU im Rat "durchaus klare Akzente gesetzt hat - siehe städtische Finanzen". Nicht Sachthemen, sondern persönliche Gründe seien für Bothen, der vor der Fraktion das Ziel "Sturz des Fraktionsvorsitzenden" genannt habe, und Moll ausschlaggebend. Insofern beweise der Austritt nur "die politische Niederlage der Beteiligten".

Bei den Aussteigern macht die Fraktion aber Unterschiede. "Die Arbeit von Jürgen Lantermann im Wahlbezirk wird die CDU vermissen", heißt es. Tenhaeff wird in dem Zusammenhang erwähnt, dass er wie die anderen sein Mandat mitnehme und damit gegen die Wähler handele.

Zudem koste die neue Fraktion die Stadt 25.000 Euro. SPD-Chef Hovest hat bereits die Fäden gesponnen. Einerseits attackierte er Hense und Linz, die CDU habe ihren Wirtschaftsflügel abbrechen lassen. Andererseits hat es schon lange vor dem Bruch enge Kontakte zu den WfW-Leuten gegeben. Offen umgarnt Hovest sie: "Wir begrüßen die neue Fraktion, sie ist erste Ansprechpartnerin, es gibt sehr viele Berührungspunkte. Wir sind die stärkste Fraktion und werden das in Mehrheiten mit anderen nutzen. Wir sind die bestimmende Kraft Wesels."

Hovest sieht seine Fraktion frei trotz ihrer Vereinbarung nach der Wahl 2014 mit der CDU. Auf deren Einhaltung pocht auch Linz. Der SPD-Boss wird trotz WfW-Flirt zuverlässig liefern. Aber: "Die Vereinbarung ist inhaltlich sehr begrenzt, das werden wir nutzen." Er habe bei den Verhandlungen "wie schon bei allen Wahlen zuvor" inhaltliche Angebote gemacht, die CDU habe sich nicht festgelegt.

(RP)
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