Wesel Kino, Bücher und Fußball

Wesel · Weißt Du noch? Dirk Möwius erinnert sich an seine Jugend in Moers - und vermisst "seine" Zentralbibliothek.

 Blick auf den Neubau des Adolfinums. in den 60er Jahren standen dort Baracken, in denen für unseren Autor die Schulzeit am Traditionsgymnasium begann. Das Hallenbad ist verschwunden, das Hüsch-Bildungszentrum sieht von außen gut aus, atmet aber nicht die Seele der alten gläsernen Zentralbibliothek.

Blick auf den Neubau des Adolfinums. in den 60er Jahren standen dort Baracken, in denen für unseren Autor die Schulzeit am Traditionsgymnasium begann. Das Hallenbad ist verschwunden, das Hüsch-Bildungszentrum sieht von außen gut aus, atmet aber nicht die Seele der alten gläsernen Zentralbibliothek.

Foto: crei

Moers war Kinostadt. Man mag es heute nicht mehr glauben, aber große Kinosäle gab es gleich mehrfach, und nicht nur die aktuellen Filmen waren immer in Moers zu sehen, es gab sogar Filmpremieren in der Stadt. Roy Black und Uschi Glas habe ich dabei zwar leider verpasst, aber bei einem Film nach Jack London, dessen Titel ich vergessen habe, durfte ich "Seewolf" Raimund Hamstorf und seine Kollegen live sehen.

Dass für uns Kino einen besonderen Stellenwert hatte, lag nicht zuletzt an unserem ersten Klassenlehrer am Adolfinum, Dr. Karl Rendenbach. Wie viele vor uns kamen auch wir als seine letzte Klasse um die Mitgliedschaft im Jugendfilmclub nicht herum. So sahen wir sonntags um 11 Uhr im Grafschafter-Kino Filme mit Anspruch, die wir uns selbst sicherlich nicht ausgesucht hätten. Aber es gab ja auch das Jugendkino im "Residenz" mit kleinen Preisen.

Die Kinos unserer Jugend, es gibt sie heute nicht mehr. Nur das kleine frühere Kronen-Kino an der Neustraße, in dem in den 80er Jahren nur noch nicht-jugendfreie Filme gezeigt wurden und in dem (angeblich) eine Schachtel Pralinen statt einer Eintrittskarte gekauft werden musste, lässt als "Atlantic" noch ein wenig von der Moerser Filmkultur weiterleben.

Überhaupt ist es erschreckend zu sehen, wie viele der prägenden Bauten unserer Jugend in den 70er und 80er Jahren nicht mehr existieren. Am bekanntesten ist das Beispiel der Zentralbibliothek. Nachdem ich für das erste Referat (Thema "Ägypten") noch die Bücherei im alten Rathaus (unter dem Standesamt) besucht hatte, wurde der prächtige Neubau eröffnet. Ganz viel Glas, große helle Räume - das Wunderwerk, in dem man sich als begeisterte Leseratte stundenlang aufhalten konnte, war ein echter Lieblingsort für mich.

Eindrucksvolle Gebäude stehen für Jahrhunderte voller Geschichte, bei der Bücherei in Moers erlebte ich Eröffnung und Abriss in einem halben Menschenleben. Auch das Hallenbad an der Wilhelm-Schröder-Straße, in dem ich schwimmen lernte und immer wieder zum Baden war, fiel längst dem Abrissbagger zum Opfer. Und "unser" Freibad in Rheinkamp, zu dem wir auch als Asberger viel lieber mit dem Rad fuhren als zum später eröffneten Solimare, ist spurlos verschwunden. Da ist fast schon tröstlich, dass das freie Feld zwischen Kurzer Straße und Annastraße, auf dem wir uns stundenlang austoben oder kicken konnten, "nur" komplett zugebaut ist. Immerhin: Mein Kindergarten steht noch an der Kurzen Straße und unsere Grundschule in Asberg existiert noch als Gebäude - auch wenn es heute von einem Kindergarten genutzt wird.

Zurück zur Schule: Als vorletzte reine Jungenklasse und als Lateineinsteiger waren wir Exoten. Das bedeute für uns das Glück, dass wir - geburtenstarker Jahrgang 1961 hin oder her - nun gut 50 Schüler in zwei Klassen waren. Später im Griechischkurs bei Dr. Horst Steckel waren wir sogar nur fünf - einerseits Luxus pur, aber auch anstrengend, wenn man nicht wegtauchen kann. Das Pausenbrot (ein komplettes "Junggesellenbrot für 90 Pfennig) wurde in der Bäckerei im Wallzentrum gekauft, das erste Bier in der Freistunde bei Frau Röder in der Gaststätte "Mattorn" probiert ("Krefelder").

Wesel: Kino, Bücher und Fußball
Foto: moew

Und auch in der Schule ging es um Bücher. Als Freiwilliger in der "Hilfsbücherei" gab es einen eigenen Schlüssel für den Raum voller gebundener Schätze. Und heute kann ich es ja sagen (Noten werden doch nicht nachträglich geändert?): Es kann im Vor-Smartphone-Zeitalter durchaus hilfreich sein, einen Schlüssel zu einem Raum voller Lehrbücher und Nachschlagwerke zu haben.

Nach der Schule ging es mit dem Rad im Sommer zum Freizeitpark. Stundenlange Tennisduelle auf der öffentlichen Anlage am Streichelzoo, ohne Mitgliedschaft in einem Club und ohne Tennisunterricht - herrlich. Fußball auf den Wiesen oder dem großen Platz am "Aufbau" (heute Gymnasium Filder Benden), Hockey mit Eishockeyschlägern und Tennisball auf dem Tartanplatz. Als Peter als erster den Führerschein hatte, kamen Fahrten nach Köln dazu. Plattenkauf bei Saturn - Vergnügen pur. Eine ganz andere Auswahl als bei Herrn Waltering an der Kirchstraße bei Horten oder in der Kaufhalle. Peter, technisch dank seines Vaters immer gut ausgestattet, konnte dann sogar schon die neumodischen CDs abspielen.

Unbestrittener Höhepunkt im Jahreskalender war im Sommer die Kirmes mit einer Viertelstunde Freifahrt am Samstag bei der Eröffnung. Im Winter war es der Karneval, angefangen vom Rathaussturm, bei dem es damals tatsächlich noch ins Rathaus ging, bis zum Nelkensamstagszug.

 Autor Dirk Möwius heute und im Alter von 15 Jahren.

Autor Dirk Möwius heute und im Alter von 15 Jahren.

Foto: Arfi/privat

Und auch erstes politisches Engagement gab es: Für mich hieß das, Flugblätter und Aufkleber verteilen, um vor der kommunalen Neuordnung im Jahr 1975 für die Selbstständigkeit von Moers zu kämpfen. Nach Duisburg kann man fahren, um den MSV mit Enatz Dietz, Kurt Jara und Rudi Seliger zu sehen - aber wer will schon Duisburger werden?

(RP)
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