Wie Geht's, Wesel? Kleines Loblied auf den Einzelhandel

Wesel · Das Internet ist eine Gefahr für die Weseler Innenstadt. Der Handel zieht die einzig richtige Konsequenz. Und wer glaubt, Online-Shopping sei immer bequemer, der hat noch nie ein Oberhemd bestellt.

Als wir gestern durch die Weseler Fußgängerzone marschierten, staunten wir: Sehr viele Menschen nutzten diesem sonnigen Brückentag zum Einkaufen, man sah volle Taschen, gut gefüllte Außenterrassen und blickte in zufriedene Händlergesichter. Das ist auch in Wesel nicht mehr alltäglich: Die Innenstädte drohen durch Amazon & Co. auszusterben. Es mag für manchen treuen Innenstadtkunden ein ferneres Zukunftsszenario sein; die ersten Anzeichen gibt es aber schon jetzt: Immer mehr Filialisten sind in den Innenstädten zu sehen, die ihre Shops auch als Werbepräsenz nutzen, im Zusammenspiel mit dem Internet. "Flagship-Stores" heißt das Neudeutsch. Nicht die einzige Gefahr für Wesel: Bald könnte auch in Duisburg noch ein Outlet-Center hinzukommen.

Auf der Strecke bleibt schnell der inhabergeführte Einzelhandel, der kein Backoffice im Rücken weiß, das ihm eine Internetseite bastelt, Bestellvorgänge regelt, Pakete packt. Das bedeutet eine Gefahr für die City, viele Kunden schätzen längst den Service, vom Sofa aus zu bestellen, und oft schon wenige Stunden später das Paket vom Boten in Empfang nehmen zu können.

Wir wollen nicht einstimmen in die langweilige Klage über die zerstörerische Kraft des Internets; die Menschen wollen online einkaufen, also müssen die Geschäfte auf diesen Trend reagieren. Der Markt regelt das. Andererseits: Wenn das Herz Wesels - die City - verödet, dann verkommt die Stadt zum reinen Schlafort. Wer will das?

Wie also soll der lokale Einzelhandel auf das Phänomen Internet reagieren? Die Händler, auch in Wesel, machen das wohl einzig Richtige: Sie setzen auf den Erlebnisfaktor Innenstadt. Am morgigen Shopping-Tag "Wesel erleben" präsentiert sich Wesel als charmante Einkaufsstadt am Niederrhein, sowohl mit ländlichen Produkten auf dem Großen Markt als auch mit Großstadtwaren. 700 Meter Fußgängerzone hat Wesel, bis zu 20 Meter ist sie breit. Rund 200 Geschäfte liegen an dieser Straße. Das ist ein Pfund, mit dem die Stadt immer noch wuchern kann. Im Unterschied zu anderen Städten hat man in Wesel nicht das Gefühl, als würde die Fußgängerzone an einem der beiden Enden komplett veröden. Es gibt noch überall genug Geschäfte als Fixpunkte, starke Filialisten und inhabergeführte Läden, um die Qualität dieser Straße gleichbleibend hochzuhalten.

Wir erzählen am Ende hier die Geschichte vom Oberhemd, das wir unlängst haben im Internetshop kaufen wollen. Dreimal mussten wir das Hemd zurückschicken, weil es nicht passte. Wer weiß schon von sich selbst, ob er der "straighte" Typ ist oder doch eher "slim fit"? Also die volle Prozedur: Paket wieder einpacken, Rücksendeschein ausdrucken, zur Post fahren, in der Schlange warten. Wir haben nicht nachgerechnet, aber mit einiger Sicherheit hat dieser Hemdenkauf länger gedauert, als wenn wir einfach mal in die Innenstadt gegangen wären. Man muss diese Rechnung einfach mal anstellen, um für sich festzustellen, ob das Internet wirklich in jedem Fall die bequemere Variante ist. sep

(RP)
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