Niederrhein Klever Gefangene bauen eigene Gitter

Niederrhein · Häftlinge, die sich gegenseitig an der Flucht hindern - was zunächst kurios klingt, gehört für einige Insassen in der JVA Kleve zum Arbeitsalltag. Sie fertigen dort Stahlgitter, die in deutschen Justizvollzugsanstalten montiert werden.

 Klever Gefängnis-Insassen bauen die Gitter zusammen.

Klever Gefängnis-Insassen bauen die Gitter zusammen.

Foto: Gottfried Evers

So leicht gelingt eine Flucht aus dem Gefängnis nicht. Das wird den Häftlingen bewusst, wenn sie aus ihrer Zelle nach draußen sehen. Der Blick ins Freie wird durch massive Metallstreben getrübt: In der Justizvollzugsanstalt Kleve sind die Gitter aus einem speziellen Hartstahl gefertigt und dadurch besonders ausbruchsicher. Hergestellt werden sie von den Klever Gefangenen selbst.

 Auch Schweißarbeiten müssen die Häftlinge der JVA in Kleve für die Herstellung von Gittern erledigen.

Auch Schweißarbeiten müssen die Häftlinge der JVA in Kleve für die Herstellung von Gittern erledigen.

Foto: Evers

"Ein wenig ironisch ist das schon", sagt Thomas*, während er einen Wagen mit zugeschnittenen Streben hinter sich herzieht. Er ist einer von den 319 Insassen, die derzeit in der JVA in Kleve sind. Seit gut vier Monaten hilft der 49-Jährige dabei, die ausbruchsicheren Gitter zu produzieren. Auch wenn es paradox klingt - seine Tätigkeit gefällt ihm: "Die Arbeit ist abwechslungsreich, gute Mannschaft, gute Chefs", sagt er.

Die Schlosserei, in der er arbeitet, ist ein Eigenbetrieb der JVA Kleve. "Die Stellen dort sind sehr begehrt", erzählt Klaus-Dieter Schweinhagen, der Leiter der Vollzugsanstalt. 14 Häftlinge sind es derzeit, die an den Gittern arbeiten. Noch mehr könnten dort beschäftigt werden, aber die Suche nach qualifizierten Kräften sei nicht so leicht, wie Werkdienstleiter Uwe Fengels erzählt.

Thomas und seine Kollegen beginnen um 7 Uhr mit ihrer Arbeit. Während dieser Zeit können sie sich in der Werkstatt rund um den Innenhof frei bewegen. Sie bringen die Eisenstangen in die passende Länge, stanzen und schneiden mit der Wasserstrahlanlage Löcher in die Streben. Gearbeitet wird mit Manganhartstahl, ein Material, das eine große Sicherheit verspricht und nach den NRW-Bauempfehlungen in Justizvollzugsbauten verwendet werden soll. Ein landesweites Programm beauftragte die JVA in Kleve damit, die Gitter aus diesem speziellen Stahl herzustellen. Die Gefangenen in Kleve machen somit nicht nur ihre eigenen Gitterfenster. Auch für andere Justizvollzugsanstalten, Gerichtsgebäude und den Polizeigewahrsam produzieren sie die Metallgestelle. 23.079 wurden seit dem Jahr 2000 so schon fertiggestellt, 27.000 sollen es einmal werden.

In einem abgetrennten Teil der Gefängnis-Schlosserei wird geschweißt. Unter Funken verwandeln sich dort die Rohmaterialien in ein fertiges Zellengitter. Vier Werkmeister überwachen die Produktionsschritte. Die Häftlinge der JVA halten sie dabei stets im Auge. Bevor es in die Zelle zurückgeht, wird die Werkstatt penibel durchsucht. So wird verhindert, dass die Gefangenen heimlich Werkzeuge wie Feilen oder Sägen in das Hafthaus schmuggeln.

Eine Arbeit zu haben, das hat in der Justizvollzugsanstalt einen hohen Stellenwert. "Sie ist eine zeitfüllende Sache und hilft, den Tag zu strukturieren", sagt der Leiter Klaus-Dieter Schweinhagen. Neben der Schlosserei gehört auch eine Schreinerei und die Unterhaltung des Gebäudes zu den Eigenbetrieben der JVA Kleve. Einen kleinen Ausbildungsbereich bieten sie in der Küche an, dort lernen zwei Gefangene den Beruf des Küchenhelfers. Dann gibt es noch Arbeit, die von Unternehmen hereingereicht und von den Häftlingen erledigt wird. Eine Vollbeschäftigung kann trotz alledem nicht erreicht werden: "Wir haben momentan eine Arbeitslosigkeit von 65 Prozent", sagt Klaus-Dieter Schweinhagen und fügt hinzu: "Arbeit ist ein hohes Gut." Deshalb sucht die JVA händeringend nach Unternehmen, die Arbeiten im Gefängnis erledigen lassen wollen. Etwa Verpackungs-, Sortier- oder Konfektionierungstätigkeiten.

Bei der Stellenbesetzung werden die Strafgefangenen den Untersuchungshäftlingen vorgezogen. Sie bleiben in der Regel zwischen sechs und 24 Monate in der JVA, "sind also nicht die hochproblematischen Fälle", wie der Leiter sagt. Die Arbeit wirke sich positiv auf sie auf. Vielen ist ein strukturierter Tagesablauf fremd, durch ihre Aufgabe gewöhnen sie sich an das regelmäßige und frühe Aufstehen, bestätigt Werkdienstleiter Fengels. Bei ihrer Entlassung können sie dann außerdem mit Kenntnissen punkten, die sie in qualifizierten Berufen wie der Schlosserei erlernt haben.

(*Name geändert)

(ubg)
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