Rp-Thema Wesels Zerstörung Im Februar Vor 70 Jahren "Meine Schwester Anni haben wir nie mehr gefunden"

Wesel · Margret Neuendorf (1930-2014) überlebte den Angriff am 16. Februar 1945 und hat einen bewegenden Bericht über die Ereignisse hinterlassen.

 Margret Neuendorf

Margret Neuendorf

Foto: Malz

wesel Mein Vater, Franz Bongers, war bis zum Kriegsende beim L. S. W. (Luftschutzwarndienst) in Wesel Soldat, hatte auch am Freitag, dem 16. Februar 1945, Dienst. Er sah die Angreifer kommen und zeichnete sie auf der Karte in der Dienststelle ein. Meine Schwester Anni, die in der Sparkasse an der Kreuzstraße tätig war, kam in der Regel bei Fliegeralarm und zum Essen nach Hause zum Kornmarkt 5.

Am 16. Februar hatten wir um 12 Uhr den ersten Angriff. Der war hauptsächlich im Viertel der Post und Dienststelle meines Vaters, ungefähr am jetzigen Hallenbad. An diesem Tag verwaltete meine Schwester die Kasse, konnte deshalb nicht nach Hause kommen und musste mit einigen Sparkassenangestellten in den Luftschutzkeller der gegenüberliegenden Kaserne. Um 14.30 Uhr kamen kleine und größere Verbände von Eindhoven und flogen direkt auf Wesel zu.

Es war ein klarer blauer Himmel, wir und viele Nachbarn standen auf dem Kornmarkt und schauten uns die Flugzeuge an, in der Annahme, dass sie weiter fliegen würden. Dann fielen die ersten Bomben, und wir liefen so schnell es ging in unseren Luftschutzkeller. Es war ein schrecklicher Angriff, der etwa 20 Minuten dauerte. Es gab keine Sirene mehr, sie waren alle zerstört.

Wesel sah furchtbar danach aus. Es brannte an allen Ecken, überall lagen Tote und Verwundete. Unser Keller hatte jedoch gehalten, so dass unsere Familie und alle Nachbarn heil und unversehrt aus dem Keller gekommen sind.

Meine Schwester und alle anderen Personen, bis auf eine Frau, sind nicht mehr lebend aus dem Kasernenkeller gekommen. Unsere Familie ging über Trümmer und durch viel Staub aus dem brennenden, zerstörten Wesel und fand bei Leuten an der Reeser Landstraße für diese Nacht eine Bleibe.

Am nächsten Morgen, Samstag, 17. Februar, gingen meine Mutter und meine 13-jährige Schwester zu Fuß nach Bocholt, wo sie bei Verwandten Unterkunft fanden. Unser Haus stand noch im Rohbau, die Innenwände waren alle umgestürzt, und das Dach war ab.

Mein Vater und ich haben den ganzen Samstag aufgeräumt und in der Nacht im Keller geschlafen. Ich hatte dort große Angst, weil unheimliche Gestalten durch die Straßen liefen.

Sonntagsmorgens fanden wir Flugblätter, auf denen stand, dass wir Wesel verlassen sollten, weil der schlimmste Angriff Montag käme. Wir konnten es kaum glauben, denn es gab doch nur noch Trümmer. Wir warfen noch weiter Schutt und Steine aus dem Fenster, als gegen 15 Uhr die Flakgeschütze Alarm gaben. Es folgte wieder ein Bombenangriff. Danach brannte es überall. Wir hatten alles verloren, aber der größte und schlimmste Verlust war meine Schwester Anni, die wir nie mehr gefunden haben. Am 19. Februar fuhren wir mit dem Rad nach Bocholt zu unserer Mutter.

(RP)
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