Wesel Modehändler mit Niveau haben es schwer

Wesel · Mitte des Jahres schließt nach 28 Jahren die Boutique Crisba an der Hohen Straße. Auch Moden Kubatta an der Brückstraße musste 2016 aufgeben. Anbieter hochwertiger Textilien haben es in Zeiten des Online-Handels nicht leicht.

 Anna-Mildred Rivera-Preußer hängt zwar sehr an der Crisba. Doch wird sie die Boutique an der Hohen Straße Mitte des Jahres schließen. Ihr Hauptgeschäft in Voerde bleibt.

Anna-Mildred Rivera-Preußer hängt zwar sehr an der Crisba. Doch wird sie die Boutique an der Hohen Straße Mitte des Jahres schließen. Ihr Hauptgeschäft in Voerde bleibt.

Foto: Nikolei

Als Anna-Mildred Rivera-Preußer vor gut zweieinhalb Jahren mit ihrer Damenboutique Crisba von der Korbmacherstraße zur Hohen Straße gezogen ist, war sie überzeugt, in der neuen 1a-Lage dauerhaft erfolgreich zu sein. Wie sich nun herausstellt, war die freundliche Geschäftsfrau aus Dinslaken, die auf den Philippinen geboren und aufgewachsen ist, am Ende wohl doch ein wenig zu optimistisch. Denn Mitte des Jahres wird sie Crisba schließen. Der Räumungsverkauf hat begonnen.

"Es geht nicht mehr. Auch wenn ich an dem Geschäft hänge und mir die Kundinnen sagen und schreiben, wie schade es sei, dass wir aufhören." Während sie das sagt, atmet sie tief durch und unterdrückt eine Träne. Was sie und die Stammkundschaft trösten mag, ist die Tatsache, dass das mit 170 Quadratmetern fast dreimal so große Crisba-Hauptgeschäft an der Bahnhofstraße in Voerde erhalten bleibt. 2019 wird die Boutique, die Rivera-Preußer vor acht Jahren von einer Freundin übernommen hat, 40 Jahre alt.

Wer mit hochwertiger und entsprechend hochpreisiger Mode handelt - und das auf vergleichsweise kleiner Fläche -, der hat es derzeit nicht leicht. In Wesel nicht und auch sonst nicht. Und das hat vor allem zwei Gründe. Erstens: Nach einer Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) haben die Deutschen im Jahr 2000 von ihrem verfügbaren Einkommen 3,4 Prozent für Mode ausgegeben. 2015 lag der Wert bei 1,4 Prozent. Der Stellenwert von Kleidung ist offensichtlich gesunken. Interessant in dem Zusammenhang ist ein Bericht in der Fachzeitschrift Textilwirtschaft, in dem es heißt, dass gleichzeitig die Zahl der verkauften Teile gestiegen sei, aber der Durchschnittspreis jedes Stücks gesunken ist. Zweitens: Der Einzelhandel verliert immer mehr Kunden an das Internet. Das Handelsjournal geht davon aus, dass der Online-Anteil am Bekleidungsmarkt von heute 21 Prozent bis zum Jahr 2025 nochmals deutlich auf 36 Prozent steigen wird. Allerdings werde, so heißt es, der stationäre Fachhandel der dominierende Vertriebsweg bleiben.

Das hoffen auch Wesels Wirtschaftsförderer Johannes Opgen-Rhein und sein Kollege Nicolas Kotzke, die nach dem Ende von Moden Kubatta im vergangenen Jahr nun auch das bevorstehende Aus für Crisba sehr bedauern. "Das ist nun einmal der Trend der Zeit. Die Einkaufsgewohnheiten der Menschen ändern sich, der Onlinehandel gewinnt an Bedeutung. Und die Generation 60 plus gibt halt mehr Geld für Brillen und Hörgeräte als für hochwertige Mode aus", sagt Opgen-Rhein. Der will sich bemühen, für das Crisba-Ladenlokal, eine von derzeit sechs freien beziehungsweise freiwerdenden Verkaufsflächen, einen Nachmieter zu finden. Die Leerstandsquote in der Fußgängerzone beträgt aktuell weniger als fünf Prozent. Damit diese Zahl nicht wächst, sondern möglichst weiter sinkt, stehen er und Kotzke in engen Kontakten mit den Vermietern und den potenziellen Interessenten.

Übrigens: Das Institut für Handelsforschung geht davon aus, dass es in den Städten auch 2025 den Textilfachhandel geben wird. Vorausgesetzt, die Geschäftsführer arbeiten an einer optimalen Vernetzung von stationärem und Internet-Handel. Oder anders gesagt: An einem Konzept, wie man Kunden, die gerne von Fachleuten beraten werden, und solche, die einfach nur bequem über von zu Hause bestellen wollen, unter einen Hut bekommt.

(RP)
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