Thomas Freitag "Nehme Wähler als Hehler in die Pflicht"

Wesel · Morgen ab 20 Uhr gastiert Kabarettist Thomas Freitag mit seinem Programm "Der kaltwütige Herr Schüttlöffel" im Weseler Bühnenhaus. Die RP sprach mit ihm über seinen Bezug zu Wesel, seine Arbeit und sein großes Hobby, das Schippern.

WESEL Leute bis - sagen wir mal - Anfang 40, werden mit dem Namen Thomas Freitag oft nicht viel anfangen können. Ganz anders die Vertreter der Generation Ü 45. Sie kennen den 65-Jährigen als kabarettistisches Urgestein der "alten Schule". Der ausgebildete Schauspieler, in Schwaben aufgewachsen, verstand (und versteht es noch immer) politische Schwergewichte wie Kohl, Strauß und Wehner zu parodieren. Morgen Abend gastiert Thomas Freitag ab 20 Uhr im Weseler Bühnenhaus mit seinem Programm "Der kaltwütige Herr Schüttlöffel".

Ihre erste große Zeit als Kabarettist haben Sie eine gute Autostunde von Wesel, im Düsseldorfer Kom(m)ödchen, verbracht. Wesel dürfte Ihnen allein schon deshalb ein Begriff sein.

Freitag Natürlich. Ich kenne mich hier ganz gut aus. Wenn ich mit meinem Motorboot auf dem Rhein unterwegs bin, mache ich gerne im Yachthafen Station. Da gibt es so ein nettes Lokal mit deftiger guter Küche.

Ihre Wehner-, Strauß und Kohl-Parodien sind legendär. Warum haben Sie niemanden der aktuellen Politiker im Repertoire?

Freitag Nach Kohl ist es, bis auf wenige Randfiguren, schwierig geworden. Das liegt nicht nur am mangelnden Personal. Zu viele Leichtgewichte. Nein, auch an der Zeit, in der wir leben. Ich reibe mich an den aktuellen Politikergrößen nur noch bedingt, also in kurzen parodistischen Andeutungen, weil sie in diesen Zeiten, wo die Wirtschaft alles dominiert, zu unwichtig geworden sind. Grundsätzlich betreibe ich eher Zeitgeist-Kabarett und nehme dabei gerne den Wähler als Hehler in die Pflicht.

Tauchen denn Kohl oder Willi Brandt gar nicht mehr in Ihren auf?

Freitag Doch gelegentlich, wenn es sich anbietet. Beispielsweise, wenn ein Bayer Strauß zitiert. Dann falle ich in dessen Tonlage ein. Das gefällt dem Publikum.

Worauf darf man sich bei "Der kaltwütige Herr Schüttlöffel" freuen?

Freitag Es wird garantiert kein langweiliger Abend: mal heiß, mal kalt, laut und leise, nachdenklich und saukomisch. Die meisten Leute bleiben jedenfalls bis zum Ende (lacht). Bei Herrn Schüttlöffel handelt es sich um den Leiter einer Stadtteilbibliothek in einem sozialen Brennpunkt, die geschlossen werden soll. Und dieser Schüttlöffel kämpft jetzt gegen die Schließung.

Aber gewiss geht es morgen Abend nicht nur um Herrn Schüttlöffel, oder?

Freitag Nein, neben der Charakteristik von Schüttlöffel transportiere ich in etlichen Figuren und Szenen verschiedene aktuelle Themen. Es ist ein Art Kammerspiel.

Stammt das Programm komplett von Ihnen?

Freitag Das entsteht in einem langen Prozess. Zunächst gehe ich schwanger mit Dingen, die mich politisch begleiten in der Welt. Dann denke ich über ein Konzept nach und setze mich mit einem Autoren, in diesem Fall Dietmar Jacobs, zusammen. Er gehört mit zu den besten in der Szene und kann meine Gedanken genial zuspitzen und so meine Themen und das, was ich damit bezwecke, in eine gute Form gießen.

Sie haben lange in NRW gewohnt.

Freitag Ja, sieben Jahre in Düsseldorf, 30 Jahre in Köln. Mittlerweile aber lebe ich in Berlin.

Warum der Wechsel?

Freitag Meine Eltern stammen aus Berlin. Da gibt es mehr Wasser als Venedig - für mich als Motorboot-Fan sehr wichtig. Lore Lorentz, deren erster Duo-Partner ich im Kom(m)ödchen war, hat immer gesagt, dass man im Alter dahin soll, "wo die Musike ist". Da ist was dran. Jetzt habe ich es fünf Minuten bis zu Kudamm. Und ich genieße es.

KLAUS NIKOLEI FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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