Niederrhein Nüchterne Räume für Nachdenkliche

Niederrhein · Das "Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie" im Haus des Kultur- und Stadthistorischen Museums sowie des Stadtarchivs am Innenhafen ist geöffnet.

Zum "Tag der offenen Denkstätte" hatte das "Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie" der Öffentlichkeit erstmals Gelegenheit gegeben, den fertiggestellten Pädagogikraum kennenzulernen und dabei Filme zu sehen, Vorträge zu hören, Führungen durch die Räume mitzumachen und vieles mehr zu erleben.

Offiziell wurde die "Denkstätte" bereits in der vergangenen Woche im Beisein von Oberbürgermeister Sören Link und Kulturdezernent Thomas Krützberg sowie geladener Gäste übergeben. Mit der "Denkstätte", die maximal 60 bis 70 Besuchern Platz bietet, ist im dritten Obergeschoss des Gebäudekomplexes des Stadtarchivs und des Kultur- und Stadthistorischen Museums ein moderner außerschulischer Lernort entstanden. Architektonisch funktional in nüchterne Betonwände eingefasst, dient der Raum Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen, sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und seinen neonazistischen Tendenzen heutzutage auseinanderzusetzen.

"Die Hülle der umgestalteten neuen Räumlichkeiten", sagt die Innenarchitektin Ilona Domanski, "wollten wir möglichst nüchtern halten. Sie sollten desillusionierend wirken, um nicht von den zu vermittelnden Inhalten abzulenken." Zusammen mit dem Museumsgestalter Michael Wienand, der kontrastierend beim Mobiliar mit viel Farbe hantierte, ist dies durchaus gelungen. "Im Wesentlichen", so betonte Mithausherr Andreas Pilger als Leiter des Stadtarchivs, "setzen wir bei den Darstellungs- und Vermittlungsformen der Inhalte auf die suggestive Kraft der Medien." Und diese haben es in sich: Denn hierzu zählen vor allem Leinwand und Beamer, ein hochmodernes Smartboard sowie zig Tablet-PCs. Allein der Weg vom Erdgeschoss zur "Denkstätte" führt die Besucher auf jedem Treppenabsatz an lichthinterlegten Wandvitrinen vorbei, in denen sich Zeitdokumente verschiedenen Inhalts befinden - darunter übrigens auch das Titelblatt der Rheinischen Post vom 26. Juli 2010 mit der Nachricht zum Loveparade-Unglück und der Überschrift "Was war die Ursache?".

Mit Hilfe der neuen Medientechnik in der "Denkstätte" können die Schüler die historischen Quellen selbst aktiv erforschen, in der Gruppe diskutieren und ihre Arbeitsergebnisse präsentieren. Die Angebote richten sich an Schüler ab der 9. Jahrgangsstufe und können zeitlich und inhaltlich individuell angepasst werden. Die Workshops setzen sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und der Erinnerungskultur in Duisburg auseinander. Hierbei stehen Lebensgeschichten von Menschen aus Duisburg im Vordergrund. Die pädagogischen Angebote sollen zum Nachdenken über aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen anregen und helfen, Vorurteile und Diskriminierungsmuster zu erkennen und zu hinterfragen. Drei Workshops bietet das Zentrum für Erinnerungskultur in ihrer "Denkstätte" derzeit an: Antiziganismus in Vergangenheit und Gegenwart; Erinnerungskultur und Erinnerungslandschaft Duisburg; Jüdisches Leben in Duisburg.

"So, wie das Stadtmuseum das kulturelle Gedächtnis der Stadt sein will, versucht das Zentrum für Erinnerungskultur das Erbe des Nationalsozialismus, nämlich den unwiederbringlichen Verlust an Kultur, Leben und Menschlichkeit jener Zeit, wieder ans Tageslicht zu befördern", sagte seine Direktorin Susanne Sommer, die zusammen mit Andreas Pilger als Doppelspitze des institutsübergreifenden Zentrums agiert.

Mit der Fertigstellung der ersten Baustufe, die alles in allem rund eine Million Euro kostete, startet das Zentrum mit dem Ausbau des zweiten Obergeschosses als Ausstellungsfläche nun seine zweite Baustufe. Dort, wo bisher das Museum Stadt Königsberg mit seiner Sammlung untergebracht war, soll demnächst die im Stadtmuseum äußerst erfolgreiche Ausstellung "Jüdisches Leben in Duisburg von 1918 bis 1945" in modifizierter Form ihren dauerhaften Präsenzplatz finden.

Zwei bedeutende Ereignisse des Zentrums, sagen Pilger und Sommer, würden aber schon heute ihre Schatten auf die Zukunft werfen: Am 17. und 18. November soll es erstmalig in der Stadt eine "Tagung zur NS-Kulturpolitik" geben und im Frühjahr 2017 stünde dann die nächste große Ausstellung an, und zwar zum Thema: "Das rote Hamborn - Politischer Widerstand in Duisburg".

Die Workshops können unter Telefon 0203 283-2640 oder unter zfe@stadt-duisburg.de gebucht werden.

(RP)
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