Wesel Opa in der Kiste - und Jesus am Kreuz

Wesel · Wer Kindern die Ostergeschichte näherbringen möchte, kommt am Tod nicht vorbei. Wie aber geht man am besten damit um? Ein Besuch im Stuhlkreis der Evangelischen Kita Am Lauerhaas.

 Jesus musste sein Kreuz tragen - und das war noch schwerer als das Holzstück, das die Kinder heben. Kein Wunder: Vincent stemmt es sogar über seinen Kopf.

Jesus musste sein Kreuz tragen - und das war noch schwerer als das Holzstück, das die Kinder heben. Kein Wunder: Vincent stemmt es sogar über seinen Kopf.

Foto: Jana Bauch

Sie haben Palmwedel aus Buchsbaum gebastelt und selbst gebackenes Brot gegessen - wie beim Abendmahl. Bisher lief sie noch ganz gut, die Ostergeschichte. Seit gestern aber ahnen die Kinder: Das könnte nicht gut ausgehen. Warum verhält sich Jesus so komisch, was wollen die Soldaten von ihm? Florian weiß es schon: "Morgen ist der Tag, an dem sie Jesus ans Kreuz gehängt haben."

Wer Kindern die Ostergeschichte näherbringen möchte, kommt am Tod nicht vorbei. Aber ab wann verstehen Kinder, was sterben bedeutet? Und wie gehen sie mit dem Thema um? "In der Regel sehr frei und offen", sagt Sabine Ziehm, Leiterin der Evangelischen Tageseinrichtung für Kinder Am Lauerhaas. "Jedes Kind macht das auf seine ganz eigene Art und Weise, weil jedes seine eigenen Erfahrungen gemacht hat." Die einen finden einen toten Igel, "dann ist das natürlich Thema bei uns", sagt Ziehm. Bei den anderen ist gerade ein Familienmitglied gestorben. "Oft sagen sie dann Sachen, mit denen man gar nicht gerechnet hätte", meint Erzieherin Rebecca Ovens.

 Für die Tränen und Liebe der Jünger legten die Kinder kleine Perlen und Herzen in die Mitte. Alle warten geduldig, bis sie an der Reihe sind.

Für die Tränen und Liebe der Jünger legten die Kinder kleine Perlen und Herzen in die Mitte. Alle warten geduldig, bis sie an der Reihe sind.

Foto: Jana Bauch

Eine Beerdigung klingt dann ungefähr so: "Opa war in der Kiste. Und die Kiste haben sie in ein Loch gepackt." So einfach ist das. "Eigentlich stimmt es ja auch", sagt Ziehm und lacht.

Aber wie kommt man von Opa in der Kiste zu Jesus am Kreuz? 43 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren besuchen die Gruppen "Ameise" und "Regenwurm". Zwölf von ihnen sitzen im Stuhlkreis, in der Mitte sind Gegenstände zu einem Bild drapiert. Was die Kinder erkennen, rufen sie in die Runde: eine Kerze, ein Kreuz, eine kleine Schachtel. Und: das Perlenarmband. Die Holzperlen sind zentral im Konzept der Kita, jede hat eine eigene Bedeutung: Liebe, Gelassenheit, Ruhe. Jede Perle und jedes Thema kommt irgendwann mal dran. Heute geht es um die schwarze Perle: die Nacht.

 Dreimal reichen die Kinder die Perle der Nacht weiter. Für jeden Tag, der bis zur Wiederauferstehung Jesu vergangen ist.

Dreimal reichen die Kinder die Perle der Nacht weiter. Für jeden Tag, der bis zur Wiederauferstehung Jesu vergangen ist.

Foto: Jana Bauch

Die Nacht ist dunkel, sagt die Gruppe. Und zum Beweis halten sich alle die Augen zu. Sie machen die Augen wieder auf: Der Tag ist hell. Und bunt. "So wie im Leben", sagt Ziehm. "Da gibt es Momente, die sind bunt und schön. Und es gibt dunkle, nicht so schöne." Auch die kennen die Kinder: Einmal gab es ein Gewitter mit starkem Regen. "Das war nicht so schön", sagt ein Junge. Schon schießt es aus allen heraus: Beim Baum des Nachbarn ist mal ein Blitz eingeschlagen. Und überhaupt, man stelle sich mal vor: Der Blitz treffe ein Flugzeug oder einen Menschen. Aber gut für den Garten ist es ja, wenn es regnet.

Es geht hin und her. Schließlich kommen sie auf die traurigen Momente im Leben und Ziehm führt die Kinder zurück zur Ostergeschichte. So bestimmt, dass das Ziel des Tages erreicht wird - aber so sanft, dass es keines der Kinder wirklich merkt. Jesus musste sein eigenes Kreuz stemmen, erzählt die Kita-Leiterin. Und das sei noch viel schwerer als der Holzklotz, den sie die Kinder weiterreichen lässt. Vincent stemmt ihn über seinen Kopf. "Ist ja auch leicht."

 Sabine Ziehm und Rebecca Ovens (links) stehen mit den zwölf Kindern im Kreis. In der Mitte die Gegenstände, die sie auf ihrer Etappe der Ostergeschichte begleitet haben.

Sabine Ziehm und Rebecca Ovens (links) stehen mit den zwölf Kindern im Kreis. In der Mitte die Gegenstände, die sie auf ihrer Etappe der Ostergeschichte begleitet haben.

Foto: Jana Bauch

Die Ostergeschichte nähert sich dem Ende, die Soldaten nageln Jesus ans Kreuz. Es ist ganz still geworden - alle hören genau zu. Manche Kinder klammern sich dabei an die Ränder des Stuhls, als fürchten sie, gleich herunterzufallen. "Wer war da besonders traurig?", fragt Ziehm. "Seine Freunde", antworten die Kinder. Jeder legt eine kleine Perle als Zeichen ihrer Tränen in die Mitte, jeder ein kleines Herz für jene, die ihn besonders lieb hatten. Die Perle der Nacht wandert von einer Kinderhand in die nächste. Die einen reichen sie ganz schnell weiter, andere scheinen jede Unebenheit im Holz nachfühlen zu wollen. Dreimal geht es im Kreis - für jeden Tag bis zur Wiederauferstehung Jesu. Sie singen und beten: "Wo ich gehe, bist du, wo ich stehe, bist du."

Und wenn mal jemand sagt, "mein Opa ist aber nicht wiedergekommen"? Dann erklären sie eben, dass es nicht darum gehe, dass Tote morgen wieder aufstehen, sagen die Erzieherinnen. "Aber dass sie für immer weiterleben. In unserem Lachen oder unseren Erzählungen."

(lukra)
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