Wesel Orgelherbst startet mit einem tiefen Erlebnis

Wesel · "Batalha", dieses portugiesische Wort für Schlacht, Kampf bezeichnete die Komposition von Manuel Rodrigues Coelho (1555-1635), die der belgische Organist Kristiaan Seynhave zum Auftakt des internationalen Festivals "Orgelherbst am Niederrhein" am Sonntagabend im Weseler Willibrordi-Dom höchst lebendig interpretierte. Die naturgemäß stetige Welterzählung von den immer gleichen Sehnsüchten, Freuden, Verweigerungen, vom Innehalten, Wiederfinden, Denken und Danken der strebenden und irrenden Menschen bildete die Leitlinie des ganzen Konzert-Programms.

Batalha, so heißt auch ein Ort in Portugal, der an das Werden der Nation erinnert, stellte sich mit Waffenklirren, Getümmel, auch scharfen Streitrufen dar, einer nötigen kurzen Rast vor dem Rasen bis zur erschöpfenden Besinnung. Das große innere Hör-Bild riss mit, es zeigte den virtuosen Organisten im alltagstauglichen Videobild auf einer aufgestellten Leinwand.

Helligkeit konzentrierte sich in Bachs Fantasia in G, BWV 572, weckte mit sanften Echos Zuversicht und endete mit großer Schlussmelodie. Die Bearbeitung zu "Wachet auf, ruft uns die Stimme", BWV 645, begann mit dem Choralthema, wandelte es spielerisch ab und endete mit lockerer Oberstimme zum fest stützenden Pedal.

Franz Liszts bisweilen fast überbordendes Klavierkomponieren griff auch in der Orgelfassung der Fantasie und Fuge über B-A-C-H mit den endlosen Läufen quasi als Fragen und Antworten weit aus. Zwei Sätze von Gabriel Verschraegen (1919-1981), Lento Espressivo und Scherzo, bezauberten mit freiem Spielen in der naturgegebenen Welt. Sprangen da nicht auch Vogellaute auf? Wurde im Scherzo Übermut gezähmt? Menschelnde Realität verträglich zur Melodie, die unebene Welt begehbar gemacht?

Ein großes immerwährendes Thema. Von Alexandre Guilmant (1837-1911) in der Orgelsonate Nr. 1 d-Moll, op. 42, stringent ausgeschritten nach einer kurzen Introduction im Allegro einer relativ langen Pedal-Solo Passage. Sehr schön das Lob der Ruhe und geistigen Sammlung im Pastorale und ein souveränes Bekenntnis zum Leben und zur zumindest geistig möglichen Harmonie zwischen Himmel und Erde im Finale. Diese weltoffene Botschaft bekräftigte der tanzende Zimbelstern.

In der Kirche blieb es ruhig, bis die letzten leisen Wellen sich im Raum aufgelöst hatten. Dann prasselte eine Folge dankbaren Applauses auf. Keine Zugabe nach den tiefen Musik-Erlebnissen. Gut so.

(RP)
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