Hamminkeln Parteichef Lindner begeistert Liberale

Hamminkeln · FDP-Neujahrsempfang im voll besetzten Landhaus Ridder: Christian Lindner sprach über Mittelstand, Landwirtschaft und innere Sicherheit. Der blendende Redner erhielt riesigen Beifall.

Im Landhaus Ridder herrschte gespannte Erwartung. Schließlich stand gestern ein besonderes Ereignis für die Hamminkelner FDP an. Zu ihrem überhaupt ersten Neujahrsempfang im voll besetzten Saal in Dingden-Lankern hatte sich der oberste Chef der Liberalen im Bund und Fraktionsvorsitzende im Landtag angesagt. Gesicht und Stimme der FDP, die sich anschickt, wieder in den Bundestag einzuziehen, der brillante Rhetoriker und ambitionierte Wahlkämpfer Christian Lindner traf den Nerv: Mittelstand, innere Sicherheit, überbordende Bürokratie, Bildungsarmut und Wirtschaftspolitik standen im Zentrum. Ländliche Fragen lieferte er in der Fragerunde nach - so auf Hinweis von Bürgermeister Bernd Romanski die Forderung, der Bund möge die Flüchtlingskosten übernehmen und die Bürokratieebenen müssten entschlackt werden.

Ein Neujahrsempfang ist keine parlamentarische Debatte, in Wahlkampfzeiten muss der Bundesvorsitzende seinen Parteimitgliedern Selbstvertrauen einflößen und das auf die rednerisch klare Art. Lindner weiß um seine Wirkung. In freier Rede durchstreift er die politischen Fragen der Zeit, setzt liberale Eckpunkte und schlendert mit dem Mikro in der Hand vor dem mit lokaler FDP-Prominenz, unter anderem Bundestagskandidat Bernd Reuther (Wesel), besetzten Podium. Die Botschaft lautet "Bürgernähe", und sie wird mit konzentriertem Zuhören quittiert. Die Schlussbotschaft Lindners in Zeiten rechtspopulistischer Wahlaussagen wird gar mit langanhaltendem Beifall bedacht: "Im Jahr 2017 ist politische Neutralität ein Luxus, den sich keiner erlauben kann." Eine klare Wahlaufforderung.

Liberale Werte schiebt der Parteichef gerne nach vorne. Religionsfreiheit statt Abschiebedekrete wie in den USA etwa, aber auch den Integrationswillen bei Zuwanderern. Christian Lindner riet von der dauernden Debatte über Randgruppen ab, in Deutschland müsse man die Mitte im Blick haben, dann gebe es auch für den Rand bessere Chancen. NRW-Innenminister Jäger müsse gehen, erst Fehler machen im Fall Amri und dann behaupten, man sei an die Grenze des rechtliche Machbaren gegangen, sei Täuschung. Manchmal wünsche er sich "kühle Entschlossenheit der Regierung Genscher/Schmidt wie bei der RAF-Fahndung" zurück. Die Polizei will er stärken, um 15.000 Kräfte zu bekommen, müsse man auch zu "guten Realschülern" greifen. Überhaupt sei Abi für alle Fiktion. Gute Handwerker brauche das Land.

In der Bundespolitik findet er den SPD-Rollenwechsel zweifelhaft. Man müsse abwarten, wie sich die Sozialdemokraten aufstellen. Aber Sigmar Gabriels diplomatischen Fähigkeiten als Außenminister und ein Wirtschaftsministerium, das acht Monate bis zur Wahl verwaltet werde, statt dem Trumpschen Protektionismus zu begegnen, seien keine gute Option. In der Bildungspolitik wünscht sich Lindner den Kampf gegen Bildungsarmut, in NRW mehr Einsatz für Inklusion und bei Schulsanierungen das Ende des Föderalismus, damit der Bund gezielt helfen könne. Auch mehr Geld für den Bürger sei erreichbar - indem der Soli mit den Haushaltausüberschüssen bezahlt und beendet werde. Gute Themen gut rübergebracht - das liberale Zugpferd stach.

(RP)
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