Wesel Publikum von Kraft des Domkonzerts schlicht ergriffen

Wesel · Sonntagabend im Willibrordi-Dom. Ein Meister hat gespielt. Ach was, ein Meister hat die Universalsprache der Musik so wunderbar und verständlich über das Klangvolumen der großen Marcussen-Orgel verständlich gemacht, dass die Hörer aus Ergriffenheit und Dankbarkeit lange stumm und still sitzen blieben. Kein albernes Pfeifen, kein Bravo-Ruf, nur innige Freude über die Kunst des Interpreten. Dann erst großer Applaus.

Und der hochgebildete, international bekannte Organist Franz Günthner aus Leutkirch dankte strahlend und mit der Bescheidenheit des Könners. Sein Söhnchen an seiner Hand ebenso. Blätterte der vielleicht um oder half beim Registrieren? Unwichtige Fragen. Ohne Ansage keine übliche Zugabe, sondern noch ein großes überwältigendes Orgelwerk. Reaktion? Wie zuvor: Atemholen, Applaus. Dann leerte sich die Kirche. War es zuletzt noch einmal Messiaen? Wie sich der Klanghorizont weitete, wäre jedenfalls in seinem Sinn gewesen. Wozu raten? Wir Hörer hatten gespürt, dass die Orgelmusik von einer Geisteskraft gekündet hatte, der wir uns nur nähern, sie aber nie erreichen.

Das von Dom-Kantor Ansgar Schlei verantwortete musikalische Jahresprogramm in der Stadtkirche, der grooten Kerk, bot in diesem Jahr mehrere unvergessliche Konzerte. Sonntag also französische Orgelmusik aus dem frühen 20. Jahrhundert. "Gemacht für große Kirchen", erinnerte zu Beginn Ansgar Schlei. Also auch richtig für den Weseler Dom. Jean Langlais' Trois Paraphrases Grégoriennes op. 5 Nr. 3 mit der hochherzig aufrauschenden Hymne D'Action de Grace: Te Deum, der mitfühlend zurückgenommenen Rosa mystica und der in hingebungsvoller Anbetung singenden Cantilene aus der "Suite brève" leiteten die Andacht ein. Es folgte das Salve Regina des Libanesen Naji Hakim, eines Schülers von Langlais. Es war ein sanfter Gesang mit lichten Glockentönen, so ernst wie der seines Meisters.

Die Choral-Improvisation sur le "Te deum laudamus" von Charles Tournemire rief mit gewichtigen Akkorden und federleichten Läufen zur Anbetung auf. Louis Viernes Etoile du soir wurde akzentuiert von einem sehr hohen, himmlischen Orgelton, dem eine ergebene dunkle Bronzestimme antwortete. Und dann Olivier Messiaen mit Dieu parmi nous - Gott unter uns - aus: "La nativité du seigneur". Klänge wie hereinbrechende Strahlen schnitten durch das Kirchenschiff, leises Singen verlebendigte das Erdendasein, der geistige Horizont weitete sich zum triumphalen Schlussbild.

Anruf montags bei Kantor Schlei: Zugegeben war die Suite Gothique op. 25 von Leon Boellmann, der Sohn des Organisten hat geblättert.

(hb-)
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