Hamminkeln Rheinlandtaler für Stevens

Hamminkeln · Baumeister von Mehrhoog, Heimatforscher und Mundartkenner: Gerhard Heinrich Stevens (97) wird besonders geehrt.

Er ist 97, geistig hellwach und steckt voller Geschichten. Er hat auch Geschichte geschrieben, im Kleinen, über Mehrhoog und die umliegenden Dörfer. Er, der diplomierte Ingenieur und Architekt, ist der Baumeister des Dorfes und hat halb Mehrhoog geplant. Er war im Ort, im damaligen Kreis Rees und nach der Kommunalen Neuordnung in Hamminkeln politisch aktiv. Er ist Ehrenvorsitzender des CDU-Ortsverbandes und des TV Mehrhoog. Er hat als Heimatforscher vier Büchlein verfasst, in Mundart gedichtet, die Geschichte des Fleckens aufgeschrieben.

Jetzt wird Gerhard Heinrich Stevens, den alle nur als Gerd kennen, mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet. Am 20. Februar im Ratssaal bekommt er die Ehrung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) überreicht. Den Schlussakt für die Zeremonie hat Gerd Stevens schon geplant. Dann wird das "Mehrhooger Heimatlied" angestimmt - Text: Gerd Stevens, Musik: sein Sohn Gerd-Heinz Stevens, Kirchenmusiker und Komponist.

Natürlich wird auf Platt gesungen, wie es sich für einen Mundartkenner geziemt. Für Unkundige steht die hochdeutsche Übersetzung zur Verfügung. Darin steht zu lesen, was ein "Sandhase" ist, so einer wie Gerd Stevens. "Nicht sehr alt ist unser Dörfchen, gab es doch nur Heid' und Sand", heißen zwei Liedzeilen, und sie verweisen auf das in der Natur unbekannte Tier, das einst verfeindete Mehrer als Schimpfwort für ihre Mehrhooger Nachbarn erfanden. Gerd Stevens hat sich nie provozieren lassen und ist bekennender "Sandhase" geblieben. Er hat die Dorfzeitung der CDU namens "Der Sandhase" kreiert, dem dynamisch springenden Sandhasen wurde ein Denkmal gesetzt. Zwischendurch hat er für die Rheinische Post Kolumnen verfasst.

Ja, er finde, er habe den Rheinlandtaler verdient, sagt Gerd Stevens frank und frei. Er hat vier Büchlein verfasst, die geschichtliche Dokumente geworden sind. Er hat aufgeschrieben, wie sich das Dorf entwickelte, wie er in vielen Belangen als gebürtiger Mehrhooger am Unteren Niederrhein gewirkt hat. "Mehrhoog - ein Flecken am Niederrhein", "Bellinghoven, die Geschichte einer niederrheinischen Wasserburg", die persönlichen Erlebnisse "Aus dem Leben eines Sandhasen" und die "Geschichte der Eisenbahn am unteren Niederrhein". Die Schiene und der Bahnhof haben das kleine, karge Dorf Mehrhoog erst auf die Landkarte gehievt und zum mehr als 6000 Einwohner großen Ortsteil Hamminkelns mit einer ungewöhnlichen Fülle von Nahversorgern, Ärzten und Einrichtungen gemacht.

Die Bauerschaft wurde 1856 angeschlossen, bekam sogar einen festen Bahnhof, weil auf der Strecke Oberhausen-Arnheim alle zwölf Kilometer ein Ein- und Ausstieg möglich sein sollte. Um die Linienführung gab es heftige Auseinandersetzungen. "Am Ende zählte die militärische Strategie: Die Strecke musste unerreichbar für einen Kanonenschuss entfernt vom Rhein verlaufen", erzählt Gerd Stevens. Und da passte Mehrhoog. Geschichte ist sein Hobby, zu dem er aber erst im Alter Zeit fand. Als Kommunalpolitiker war er in vielen Gremien engagiert. Eine siebenköpfige Familie musste versorgt werden. Er hat geplant und gebaut, halb Mehrhoog stamme von ihm, sagt der Architekt. Auch die katholische Heilig-Kreuz-Kirche. Parallel ließ er die historische kriegszerstörte Kirche in Mehr wiedererstehen. Dafür gab es viel Lob. Er baute Pfarrheim, Kindergärten, Bonhoeffer-Schule und mehr - das "lateinische Viertel", wie es in Mehrhoog hieß. Nach 50 Jahren als selbstständiger Architekt hatte Gerd Stevens dann mehr Zeit für sein Hobby, die Heimatgeschichte.

Das Interesse für dies Gebiet war schon früh geweckt worden durch seinen zeitweiligen Geschichtslehrer auf der Gaesdonck, Felix Rütten, der selber viele Veröffentlichungen über den Niederrhein geschrieben hat. Dies Vorbild hat sich bei Gerd Stevens bis ins Alter gehalten. Heute hat er das Geschichtenschreiben aufgegeben, verfolgt die lokale und große Politik, liest viel und ist gedanklich beweglich geblieben.

Manchmal greift er doch zum Stift, weil er dringend etwas mitteilen muss. So lässt er das LVR wissen, dass er schon weit vor dem ersten vergebenen Rheinlandtaler 1976 mit dem Landschaftsverband zusammengearbeitet hat. Etwa bei der Denkmalpflege beim Aufbau der Mehrer Pfarrkirche oder mit dem Jugendbereich bei der Planung der Kindergärten in Mehrhoog und Mehr. In der Landschaftsversammlung war er auch tätig. Und er hat für "den Hammer" gesorgt, das Straßenbauamt in Kleve aufzulösen und die Behörde in "seinem" Neubau an der Schillstraße in Wesel zusammenzulegen. "Die mussten alle nach Wesel fahren. Die Klagen musste ich mir noch lange anhören, bei denen durfte ich mich nicht blicken lassen", erzählt der Mann, der voller Geschichten steckt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort