Schermbeck Seit 125 Jahren - Pilgerfahrt zum Gnadenbild

Schermbeck · Ein Blick in die Dokumentationen der Wallfahrts-Veranstalter zeigt, wann Schermbecker erstmals auf die linke Rheinseite pilgerten.

 Der von dem Coesfelder Grafiker Heinrich Everz (1882-1967) im Jahre 1925 gefertigte Holzschnitt erinnert an die Rheinüberquerung der rechtsrheinischen Teilnehmer an der Wallfahrt nach Kevelaer.

Der von dem Coesfelder Grafiker Heinrich Everz (1882-1967) im Jahre 1925 gefertigte Holzschnitt erinnert an die Rheinüberquerung der rechtsrheinischen Teilnehmer an der Wallfahrt nach Kevelaer.

Foto: Scheffler

Als die Pfarrgemeinde St. Ludgerus im Jahre 1893 unter Leitung von Pfarrer Carl Koch erstmals zum Gnadenbild der "Trösterin der Betrübten" in Kevelaer pilgerten, wurden sie von den Katholiken aus dem benachbarten Erle begleitet.

Seit 1821 gehört die Kevelaerer Gnadenstätte kirchlich zum Bistum Münster. Dass die Wallfahrten dennoch erst spät im Bistum üblich wurden, hatte kirchenpolitische Gründe. In dem Bestreben, das religiöse Leben in einem aufklärerischen Sinne aus der Tradition zu lösen und einem vernunftgemäßen Glauben zuzuführen, wurde Volksfrömmigkeit in Form von Wallfahrten nicht gerne gesehen. Caspar Max Droste zu Vischering, Bischof von Münster in den Jahren 1825-1846, verbot sie, wobei er wohl mehr vordergründig mit den "Entgleisungen und den Schäden in ökumenischer, religiöser und moralischer Hinsicht" argumentierte.

Drostes Nachfolger, Bischof Johann Georg Müller, war ein reformfreudiger Mann. Er förderte das Wallfahren im Bistum. Spätestens seit 1851 gingen die Raesfelder zum Kevelaerer Gnadenbild. Bismarcks Politik drosselte ab 1871 die Aufwärtsentwicklung. Nach einer Verfügung der Königlichen Regierung in Düsseldorf wurden seit 1875 nur solche Prozessionen zugelassen, für die "ein Altherkömmlichkeitsattest" vorlag. Als 1892 das 250-jährige Bestehen der Kevelaer-Wallfahrt gefeiert wurde, setzte die Bevormundung aus.

Im darauffolgenden Jahr bildete sich in St. Ludgerus ein fester Kreis, der nach Kevelaer fuhr. Bis 1917 ist eine Schermbecker Gruppe alljährlich bezeugt, danach nur noch vereinzelt. 1893 bis 1897 fuhr man in Begleitung der Erler Gläubigen. An die gemeinsame Fahrt mit Wulfen und Holsterhausen erinnert noch heute ein Schild, das im Niederrheinischen Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte in Kevelaer aufbewahrt wird. Raesfelder Katholiken, die bis 1873 zu Fuß über Hamminkeln zur Rheinfähre Bislich-Xanten gingen, wählten Anfang des 20. Jahrhunderts ebenfalls den Weg über den Schermbecker Bahnhof auf dem heutigen Gelände der Firma Stender. 150 Teilnehmer sind fürs Jahr 1905 belegt. Unter den 500 Pilgern, die 1909 von Raesfeld nach Schermbeck zogen, befanden sich auch Erler Katholiken. In den Jahren 1927 und 1932 fuhren Hervester und Schermbecker gemeinsam. Für 1928 ist eine Fahrt mit Lembeckern nachgewiesen. 1914 wählten Westerholter Katholiken die Schermbecker als Fahrtbegleiter. 1906 und 1929 waren es Wulfener, 1927 Pilger aus Holsterhausen.

Im Ersten Weltkrieg ebbte der Pilgerstrom ab. 1919 ließ die belgische Besatzungsbehörde wieder Prozessionen zu. 1920 bis 1922 reihten sich auch Schermbecker in den Kreis der Pilger ein. 1923 folgte mit der Besetzung des Ruhrgebietes durch Franzosen und Belgier eine jähe Unterbrechung der Pilgerfahrten. Die weitere Entwicklung der Pilgerzahlen war von der Wirtschaftsentwicklung abhängig, die sich an der Wende zu den 30er-Jahren deutlich verschlechterte. 1927 beteiligten sich an der Wallfahrt aus Schermbeck und Umgebung 1000 Bahnfahrer. 1934 waren es nur noch 120 Teilnehmer. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Pilger-Sonderfahrten eingestellt. Organisierte Pilgertouren fehlten. Aus Berichten älterer Schermbecker weiß man jedoch, dass namentlich junge Mädchen - teilweise auf Rädern - nach Kevelaer fuhren.

Unter Bischof Michael Keller (1947-1961), der den kirchlich-religiösen Wiederaufbau des Bistums in Angriff nahm, wurden alle Formen marianischer Volksfrömmigkeit gefördert. Im offiziellen Wallfahrtsnachweis von Kevelaer sind für Schermbeck in den Jahren 1940 bis 1964 zwar keine Wallfahrten verzeichnet. Alte Fotos, die Schermbecker Pilger zeigen, belegen jedoch ebenso wie mündliche Berichte einen regelmäßigen Besuch Schermbecker Katholiken in Kevelaer.

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) zog eine Krise der Marienverehrung nach sich. In Verbindung mit dem zunehmenden Rationalismus und dem wachsenden Wohlstandsdenken schrumpfte der Pilgerstrom. 1974 pilgerten nur noch 50 Schermbecker nach Kevelaer. Eine Wende erfolgte, nachdem Papst Paul VI. in dem Apostolischen Schreiben "Marialus Cultus" (1974) einer rechten kirchlichen Weise der Marienverehrung das Wort redete. Die Pilgerzahl nahm wieder zu.

1983 beteiligten sich mehr als 300 Schermbecker an einem vom Pfarrverband Hamminkeln-Schermbeck organisierten Zug. In drei Bussen wurden 200 Gläubige nach Marienbaum gebracht. Von dort aus wurde der Rest des Weges dann zu Fuß zurückgelegt. Bis ins zweite Jahrzehnt des neuen Jahrtausends hinein fuhren alljährlich Schermbecker mit dem Bus nach Marienbaum. Zwischen 20 und 30 Radler begleiteten Pastor Franz-Gerd Stenneken regelmäßig von Schermbeck aus nach Kevelaer.

In den vergangenen Jahren gab es keine von der gesamten Kirchengemeinde St. Ludgerus organisierte Pilgerfahrt. Umso mehr freuten sich zwei Dutzend Pilger, als in diesem Jahr erstmals die KAB Schermbeck zu einer Pilgerfahrt aufrief. Am 13. März feierten die Pilger mit Pastor Xavier Muppala in der Kevelaerer Wallfahrtskirche einen gemeinsamen Gottesdienst.

(hes)
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