Kreis Wesel Singvögel sind selten und kommen spät

Kreis Wesel · Viele Vogelhäuschen sind noch verwaist. Der Nabu erklärt, woran das liegt, und ruft wieder zur Zählaktion auf.

 Das Rotkehlchen ist im Garten ein gern gesehener, aber derzeit noch seltener Gast.

Das Rotkehlchen ist im Garten ein gern gesehener, aber derzeit noch seltener Gast.

Foto: Kochanek

Hochbetrieb am Futterhäuschen. Das war einmal. Aktuell sieht es in den Gärten und an den Balkonen eher mau aus. Amseln, Rotkehlchen und Buchfinken stellen sich nur selten ein, um sich über die Gaben der Menschen herzumachen. Experten wie Peter Malzbender, Vorsitzender der Kreisgruppe Wesel des Naturschutzbundes (Nabu), können Gründe für das Ausbleiben der Singvögel nennen, verbreiten aber auch Optimismus. Denn es gibt Anzeichen für einen verspäteten, aber jetzt einsetzenden Einflug mancher Arten aus dem Osten, wo es lange mild war. Aufschluss geben soll unter anderem die nunmehr siebte Zählaktion "Stunde der Wintervögel" vom 6. bis 8. Januar.

Dabei steht außer Frage, dass es noch vor gar nicht allzu langer Zeit deutlich mehr gefiederte Sänger gab. Vor 30 Jahren wurden in Deutschland noch 420 Millionen Vögel mehr gezählt. Dass Ursachen in den eigenen Reihen zu suchen wären, zum Beispiel Elstern und Krähen die anderen Arten dezimieren, hält Malzbender für abwegig. Der Elstern-Bestand beispielsweise sei seit Jahren rückläufig. Ebenso gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vogelgrippe wütet. Sie trifft in erster Linie Eulen-, Greif- und Schwimmvögel. Der Nabu-Chef registriert verstärkt Anrufe. Besorgte Vogelfreunde melden tote Tiere. Eine Möwe mit typischen Vogelgrippe-Symptomen wie Zittern und Umkippen. Ebenso war von einem Eichelhäher die Rede. Bei ihm als Waldvogel sei es aber äußerst unwahrscheinlich, dass er gegen ein Hindernis fliegt.

Neben Vogelgrippe schließt Malzbender auch das Usutu-Virus aus, das besonders unter Amseln vor wenigen Jahre ein Massensterben ausgelöst hatte. Die Überträger dürften nicht mehr aktiv sein, weil es bereits Frost gegeben habe, sagte Malzbender gestern im RP-Gespräch. Außerdem seien weitere Nächte mit Minustemperaturen nah.

Gründe für den Vogelmangel sieht der Nabu woanders. So hat es beispielsweise bei den Singvögeln in diesem Jahr viel weniger Nachwuchs gegeben, da die Brutsaison zu nass und feucht gewesen ist. Für die Altvögel gab es deshalb nur wenig Insektennahrung zu finden. Deshalb, so der Nabu in einer Mitteilung zur bevorstehenden Zählaktion weiter, sei der spärliche Nachwuchs häufig verhungert. Viele Eier seien gar nicht erst ausgebrütet worden. Zudem hielten sich eben noch viele Vogelarten, wie beispielsweise Finkenvögel, die aus dem Norden und Osten in unsere Region kommen, in ihren Heimatgebieten auf, da auch dort die Witterung noch nicht winterlich und Futter wohl auch ausreichend vorhanden ist.

Der Nabu-Kreisvorsitzende Peter Malzbender ist übrigens mittlerweile Verfechter der Ganzjahresfütterung. Er appellierte an die Bevölkerung: "Bitte weiterhin das eigene Futterhaus bestücken. Es ist sehr wahrscheinlich, dass schon bald wieder mehr Vögel an der heimischen Futterstelle erscheinen werden." In England zum Beispiel werde schon seit etlichen Jahren die Vogelwelt ganzjährig unterstützt. "Die sind da weiter als wir", sagte Malzbender, der als Hauptgrund für die Abnahme der Biomasse das Verhalten der Menschen ausmacht. Entgegen früherer Absichtserklärungen gingen in NRW immer noch täglich neun Hektar Fläche durch Versiegelung verloren. Auch aufgeräumte Gärten trügen dazu bei, dass Insektennahrung ausbleibe. Wenn keine Holzreste oder Laubhaufen mehr liegenbleiben, dann kann sich auch nichts mehr entwickeln. Ebenfalls mitverantwortlich seien Trends, sich "immer mehr exotisches Zeug und Friedhofsgewächse" in die privaten Gärten zu holen.

Ein anderes Verhalten der Menschen freut Malzbender aber umso mehr. "Ich bin froh, dass sich die Leute bei uns melden und ihre Beobachtungen schildern. Dass ihnen die Vögel fehlen, ist ein gutes Zeichen dafür, dass sie sich für die Vögel interessieren und ein Herz für sie haben."

Die Wintervogelzählung vom 6. bis 8. Januar funktioniert so: Von einem ruhigen Plätzchen aus wird von jeder Art die höchste Anzahl notiert, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu beobachten ist. Die Beobachtungen können unter www.stundederwintervoegel.de bis zum 16. Januar gemeldet werden. Zudem ist am 7. und 8. Januar jeweils von 10 bis 18 Uhr die kostenlose Rufnummer 0800 1157-115 geschaltet.

Die Stunde der Wintervögel ist die größte wissenschaftliche Mitmachaktion Deutschlands. 2016 beteiligten sich im Kreis Wesel mehr als 500 Naturfreunde, dabei wurden 12.000 Piepmätze in 345 Gärten registriert.

In unserer Region ergatterte die Kohlmeise den Spitzenplatz, gefolgt von Haussperling und Blaumeise. Je größer die Teilnehmerzahl ist, desto wertvoller werden die Ergebnisse.

(RP)
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