Fußball Fußball-Therapie ohne taktischen Zwang

Wesel · Der PSV Wesel hat eine Fußball-Integrativmannschaft für Menschen mit geistiger Behinderung ins Leben gerufen.

Florian Fürst spielt seit 2006 Fußball. Er fing damals in der D IV-Jugend des PSV Wesel mit dem Kicken an. Sein erster Trainer war sein Vater. Thomas Fürst merkte aber mit der Zeit, dass sein Sohn in der Mannschaft nach und nach isoliert wurde. Florian leidet unter einer Autismus-Spektrum-Störung und war deshalb auf dem Fußballplatz lange Zeit ein Außenseiter. Sein Vater wollte das nicht hinnehmen. "2008 hatte ich zum ersten Mal die Idee, ein Team für geistig behinderte Menschen auf die Beine zu stellen. Zwei Jahre später wurde ich dann vom Verein erhört", erinnert sich Thomas Fürst.

2010 erklärten sich das damalige PSV-Vorstandsmitglied Heinz Wittig und Jugendkoordinator Daniel Busch bereit, die Aktion zu unterstützen. Aus dieser Idee ist mittlerweile die erste Integrativmannschaft Wesels geworden. "Ich habe damals die Schule am Ring angeschrieben und gleich viele positive Rückmeldungen erhalten. In dieser Zeit habe ich auch Jörg Hess kennengelernt. Er hat Sozialpädagogik studiert und trainiert heute gemeinsam mit mir das Team", sagt Fürst.

An die 40 Kinder und Jugendliche standen bislang unter den Fittichen der beiden Übungsleiter. Aktuell sind es rund 25. Das Altersspektrum ist sehr breit. Die Jungs sind zwischen elf und 20 Jahre alt. "Wir trainieren einmal in der Woche und teilen sie immer nach dem Alter und ihrer Leistungsfähigkeit auf. Man muss jeden Spieler anders behandeln. Es ist nicht immer einfach den Überblick zu behalten, aber ich bin immer noch mit jeder Menge Herzblut dabei", sagt Fürst, der neben seiner Trainertätigkeit heute auch Jugend-Geschäftsführer des PSV Wesel ist. Er ist dankbar für die tolle Unterstützung seitens des Vereins. "Beim PSV hat irgendwann ein Umdenken stattgefunden. Mit Paul Fritz und Stefan Peters, unserem neuen Jugendleiter, haben wir mittlerweile weitere Fürsprecher erhalten. Der Club will mehr für den Breiten- und Behindertensport tun und setzt das auch in die Tat um."

Die Integrativmannschaft ist derzeit auch deshalb in aller Munde, weil zwei ihrer Kicker möglicherweise eine fußballerische Karriere vor sich haben. Nicolai Antkowiak (18) und Kai Hempel (17) sind von Talentsuchern entdeckt worden und wechseln nun ins Fußball-Leistungszentrum für geistig behinderte Menschen nach Frechen. Dort werden sie unter professionellen Bedingungen trainiert und gefördert. "Von dort haben es schon einige Kicker in die Nationalmannschaft für Behinderte und sogar in den geregelten Fußballbetrieb geschafft", sagt Thomas Fürst. Falls es mit der sportlichen Karriere nicht klappt, sind die beiden Jungs in Köln trotzdem gut aufgehoben. "An das Leistungszentrum ist eine Werkstatt angeschlossen, wo die Leute neben oder nach der Fußballerkarriere arbeiten können."

Thomas Fürst will weiter Kontakt zu seinen talentiertesten Schützlingen halten, sich aber weiterhin vor allem um seinen Sohn und die anderen Jungs im PSV-Team kümmern. Dort steht bald eine wichtigere Neuerung an. Der Fußball-Verband Niederrhein hat als erster der 21 Landesverbände eine Spielrunde für Integrativmannschaften ins Leben gerufen. Gekickt werden sollen zwei Mal 30 Minuten mit sieben Spielern auf einem Kleinfeld. Der PSV wird sich in Hin- und Rückrunde mit dem TuS Union Mülheim, dem BV Weckhoven und Alemannia Pfalzdorf messen. "Das ist eine ganz tolle Sache. Unsere Jungs sind schon seit zwei Jahren heiß auf ihr erstes richtiges Spiel", sagt Fürst, dessen Schützlinge bislang lediglich bei Turnieren mitgespielt haben.

Der Trainer wünscht sich mehr Toleranz und Offenheit unter seinen Kollegen. Es gibt aber schon positive Beispiele, wie behinderte Menschen in den geregelten Sport integriert werden können. "Meik Kruska, der Trainer unserer C III-Jugend hatte zuletzt ein Torwartproblem. Da habe ich ihm einen von unseren Jungs empfohlen. Der hat seine Sache toll gemacht und soll jetzt dabei bleiben. Das macht mich stolz und ist ein erster Schritt in die richtige Richtung", meint Fürst.

(RP)
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