Kreis Wesel Streikende schimpfen auf Amazon

Kreis Wesel · Seit gestern Morgen streiken Mitarbeiter der Online-Versandhändlers auch in Rheinberg wieder für mehr Lohn. Die Streikenden klagen weiterhin auch über schlechte Arbeitsbedingungen und zu hohen Leistungsdruck im Unternehmen.

 Schon in den frühen Morgenstunden versammelten sich die Streikenden direkt vor dem Eingangsturm des Rheinberger Logistikzentrums. Dort versammelten sich am Nachmittag noch einmal mehrere hundert Beschäftigte.

Schon in den frühen Morgenstunden versammelten sich die Streikenden direkt vor dem Eingangsturm des Rheinberger Logistikzentrums. Dort versammelten sich am Nachmittag noch einmal mehrere hundert Beschäftigte.

Foto: arnulf stoffel

Martin Mersiovsky arbeitet seit zweieinhalb Jahren für den Online-Versandhändler Amazon in Rheinberg und ist fest angestellt. Ihm gehe es wirtschaftlich gut, sagt er. "Aber ich bin froh, dass ich keine Familie ernähren muss. Ich wüsste nicht, wie das mit dem Geld gehen sollte."

Mersiovsky ist einer von mehreren hundert Amazon-Mitarbeitern, die gestern die Arbeit niedergelegt haben. Beim Online-Riesen wird wieder gestreikt, erst einmal für die nächsten drei Tage. Die Gewerkschaft Verdi fordert einen Tarif-Vertrag nach den Bedingungen des Einzelhandels für die Mitarbeiter des Unternehmes. Amazon lehnte das bislang ab. Das Unternehmen sieht sich selbst als Logistiker.

Die Folge für die Mitarbeiter ist ein geringerer Lohn. Außerdem wissen viele der rund 500 Mitarbeiter, deren Verträge zum Jahresende auslaufen, nicht, ob sie weiterbeschäftigt werden. All das könnte ein Tarifvertrag regeln.

"Der Frust der Leute wird immer größer", sagt Tim Schmidt, Vorsitzender des Betriebsrates. "Es gibt weder Weihnachtsgeld, noch Urlaubsgeld, alles wird auf Gutdünken des Arbeitgebers gemacht", sagt er. "Wir wollen mehr Mitbestimmung für unsere Mitarbeiter." Schmidt wirft seinem Unternehmen vor, ein falsches Spiel zu treiben. "Das, was Amazon kommuniziert, nämlich mit seinen Betriebsräten über Lohnerhöhungen zu reden, ist dummes Zeug, weil uns als Betriebsräten bei diesem Thema die Hände gebunden sind."

Etwa 300 Beschäftigte streikten gestern Morgen in Rheinberg. Gegen Mittag, vor dem Beginn der zweiten Schicht, waren es noch einmal mehr. Einige nutzen die Gelegenheit, um ihrem Ärger über die Arbeitsbedingungen freien Lauf zu lassen. Eine alleinerziehende Mutter sprach von hohem Druck und schlechter Behandlung. "Wir werden ständig kontrolliert, sogar bei Toilettengängen", sagte sie. Eine weitere Frau berichtete von Abmahnungen, die das Unternehmen häufig und vorschnell erteile. Sie selber habe schon sieben Stück bekommen. Oft mit dem Ergebnis, dass Amazon diese auf Initiative des Betriebsrates zurücknehmen musste. "In einem Fall wurde ein Tagesgehalt einbehalten, weil ich unentschuldigt gefehlt haben soll. Für diesen Tag war mir aber Urlaub genehmigt worden", sagte sie. Inzwischen habe Amazon eingelenkt und ihr Gehalt werde nachgezahlt. "Der Betriebsrat hat bei uns alle Hände voll zu tun", sagen die beiden Frauen. Karl Heinz Zahn ist Mitglied des Betriebsrates. "Mit Abmahnungen sind die hier schnell bei der Hand", sagt er.

Eine Sprecherin des Unternehmens zeigte sich auf RP-Nachfrage gestern überrascht von den Vorwürfen der Mitarbeiter. "Ein respektvoller Umgang ist uns eigentlich sehr sehr wichtig", erklärte sie.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort