York Hovest "Tibet ist ganz intensiv in meinem Kopf"

Wesel · York Hovest, Sohn des Weseler SPD-Fraktionschefs Ludger Hovest, ist Modefotograf in München. Besondere Aufmerksamkeit hat er durch eine Tibet-Expedition erlangt, die er in einem Bildband verarbeitete. Am Donnerstag hält der Weseler einen Vortrag in Voerde.

Tibet-Expedition von Modefotograf York Hovest
4 Bilder

Tibet-Expedition von Modefotograf York Hovest

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Kreis WESEL York Hovest, geboren 1978 in Wesel, ist international erfolgreicher Werbe- und Modefotograf, lebt in München und arbeitet auf der ganzen Welt. Berührt von einem persönlichen Zusammentreffen mit dem Dalai Lama 2011 und inspiriert von dessen bewegenden Worten über das Schicksal seines Landes versprach er ihm, Tibet in Bild und Ton festzuhalten. Ein Jahr später brach er zu seiner 100-tägigen Reise auf das Dach der Welt auf. "Hundert Tage in Tibet" heißt der daraus entstandene Bildband - und so ist auch sein Auftritt am Niederrhein betitelt. Der Vortrag findet am Donnerstag, 26. Februar, in Voerde-Friedrichsfeld, 19.30 Uhr, im Evangelischen Gemeindehaus, Wilhelmstraße 34, statt.

Gerade erst waren Sie im Vorprogramm des Besuchs des Dalai Lama in der Schweiz, jetzt Ihr Vortrag in Voerde-Friedrichsfeld - wie kommt es zu Ihrem Auftritt am Niederrhein?

York Hovest Das habe ich meinen Lesern zu verdanken, die mich speziell in NRW kräftig unterstützen und mich in meiner Heimat live erleben wollen. Ich lebe heute in München, freue mich aber jedes Mal, wenn mich meine Arbeit wieder an den Niederrhein führt.

In Wesel gibt es einen bekannten SPD-Politiker namens Ludger Hovest - mit ihm haben Sie nichts zu tun, oder?

Hovest Falls Sie den ehemaligen Landtagsabgeordneten Ludger Hovest meinen, das ist mein Vater. Ich habe mein Abitur an der Gesamtschule am Lauerhaas gemacht, meine Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker habe ich bei RWE absolviert. Schon zu dieser Zeit und später habe ich als Fotomodel gearbeitet, stand vor der Kamera. Ich habe mir autodiaktisch viel angeeignet und abgeschaut bei den Shootings in der ganzen Welt. Hinter der Kamera als Modefotograf in München bin ich seit 2007, mache auch Beauty- und Produktwerbung. Am Niederrhein bin ich gerne, wenn auch meist nur zu Weihnachten oder bei besonderen Feierlichkeiten. Gerne gehe ich am Schwarzen Wasser spazieren oder am Rhein. Manchmal treffe ich Freunde am Kornmarkt, aber die pulsierende Szene für junge Leute, wie ich sie erlebt habe, gibt es leider nicht mehr.

Damit sind die lokalen Bezüge geklärt. Sie waren ja hundert Tage in Tibet unterwegs - zu Fuß, auf dem Motorrad und mit dem Auto. 9000 Aufnahmen haben Sie von dieser Reise mitgebracht. Die Erlebnisse während dieser Expedition, die Begegnungen mit der Landschaft, aber vor allem mit den Menschen und ihrer Kultur, haben Sie in einem opulenten Text-Bild-Band festgehalten. Was erwartet die Zuhörer?

Hovest Mein Buch "100 Tage Tibet - Das Versprechen" ist durch und durch spannend geschrieben und birgt viele Abenteuer mit vielen einzigartigen Fotos. Auf meinen Vorträgen vermittele ich dem Zuhörer allerdings noch eine gänzlich andere Sichtweise. Ich trete als Normalbürger auf, der eine Vision hatte, die es umzusetzen galt. Mit welchen Problemen wurde ich konfrontiert? Wie konnte ich diese bewältigen? Und wie musste ich mich an Situationen anpassen, um an mein Ziel zu gelangen? Der Vortrag beinhaltet auch eine zum großen Teil investigative Seite, die sich mit der Tibet-Tragödie auseinandersetzt. Am Ende steht der Erfolg meiner Geschichte, mit der ich auch anderen Menschen Mut machen will, etwas zu wagen, Ideen umzusetzen und zu helfen!

Wie kam es zum Kontakt mit dem Dalai Lama und in der Folge zur Tibet-Expedition?

Hovest Fasziniert von Tibet machte ich mir Gedanken und suchte nach einem Schlüsselmoment in meinem Leben. Als Fotograf wollte ich den Dalai Lama ehrenamtlich porträtieren und bewarb mich bei dem Verein "Freunde für einen Freund" in Frankfurt. Irgendwie hat es geklappt. Drei Tage durfte ich mit Seiner Heiligkeit auf Tuchfühlung gehen. Mein damals eineinhalbjähriger Sohn und meine Frau waren gleichermaßen von dem Oberhaupt der Tibeter begeistert. Ich machte mir Gedanken und wollte noch einen Schritt weiter gehen. Bis hierher lief es doch so gut. Am letzten Tag seines Aufenthalts übermittelte ich ihm einen Brief und versprach ihm darin, Tibet zu helfen. Aus eigenem Antrieb, ohne jegliche Unterstützung begann für mich in den darauffolgenden Monaten eine emotionale Odyssee. Es folgten zwei abenteuerliche Expeditionen.

Ihre Reise war eher eine Expedition der waghalsigen Art. Tibet ist ein mystisches Land für uns Westeuropäer, Touristen haben nur eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Wie frei konnten Sie sich bewegen?

Hovest Ich habe 5400 Kilometer zurückgelegt und mich stets dagegen gewehrt, mich an vorgeschriebenen Richtlinien orientieren zu müssen. Es muss gesagt werden, dass die Reise mit vielen Hindernissen bestückt war und ich mich fast täglich mit meinen Mitreisenden deswegen streiten musste. Generell gilt in Tibet: Man darf nur das sehen, was auf der eigens dafür beantragten amtlichen Erlaubnis steht. Das gleicht einer Kaffeefahrt durchs Sauerland. Das reichte mir aber nicht.

Wie sind Sie mit den Menschen in Kontakt gekommen? Welche Nähe haben die Tibeter zugelassen?

Hovest Die wenigen einheimischen Tibeter sind durch die jahrelange Okkupation der Chinesen und das vorherrschende Militär sehr eingeschüchtert. Es ist sehr umständlich, Kontakt aufzubauen, da es tatsächlich auch verboten ist dies zu tun. Ich verdanke viel meinem treuen Sherpa, der in den richtigen Momenten oft die Initiative ergriffen und sehr feinfühlig den ersten Kontakt hergestellt hat.

Tibet liegt hoch, da muss man nicht nur bergaffin sein, sondern auch an Grenzen gehen können.

Hovest Das Hochplateau Tibets stellt das höchste und abgeschiedenste Gebiet der Welt dar. Mit einer Durchschnittshöhe von 4500 Meter ist es nicht leicht für uns Europäer, dort oben zu existieren. Nachdem ich meine erste Expedition problemlos überstanden hatte, dachte ich, ich wäre auch für das zweite Mal gewappnet. Weit gefehlt. Im Westen Tibets in einer permanenten Höhe um die 6000 Meter wurde ich dann höhenkrank und stand kurz vor einem Abbruch der Expedition.

Höhe und Himalaya: Eines Ihrer Motive war der Mount Everest, es war Ihr Ziel, diesen legendären Berg auf besondere Art zu fotografieren. Oder der Mount Kailash, der Sehnsuchtsberg der Buddhisten.

Hovest Gleichermaßen beide. Weil sie eine so unterschiedliche Bedeutung für so viele Menschen haben. Den Superlativ Everest wollte ich mir als Wiedererkennungsmerkmal natürlich nicht entgehen lassen. Der Mount Kailash war aber die größere Herausforderung, da wir in einer extremen Winterperiode dort ankamen. Der Berg hat heute eine besondere Bedeutung für mich.

Als Mode- und Werbefotograf sind sonst tätig. Wie passt die westliche Glanzwelt zu einer Reisereportage und der Spurensuche in einer in sich geschlossenen Welt?

Hovest Ich liebe meinen Beruf als Fotograf, weil er so abwechslungsreich sein kann. Man muss sich nicht immer nur für eine Sache entscheiden. Meine Erfahrung mit der Kamera hilft mir, den Menschen meine Geschichte mit eindrucksvollen Bildern zu vermitteln. Und das, was ich während der Zeit in Tibet über mich selbst gelernt habe, lasse ich wiederum in die Fotografie einfließen. So schließen sich die Kreise.

Zum Abschluss - Ihre Reise ist einige Zeit her. Was ist geblieben für Sie? Was fühlen Sie, wenn Sie Ihren Bildband heute sehen? Vor allem: Was ist geblieben von den Erfahrungen aus einer anderen Welt mit spirituellen Lebensrhythmen in ihrem heutigen Leben?

Hovest Schöne Frage. Manchmal blicke ich auf mein Buch und denke mir: Wahnsinn, dass ich das geschafft habe. Das ich mein Ziel, die Erfüllung des Versprechens an den Dalai Lama erreicht habe, erfüllt mich auch heute jeden Tag mit Stolz. Tibet ist noch ganz intensiv in meinem Kopf. Die vielen Reisen und ihre Abenteuer bleiben einem ewig im Gedächtnis. Nach Tibet wurde ich in vielerlei Hinsicht ruhiger, im positiven Sinne. Stressen lasse ich mich nicht mehr. Ich bin ausgeglichen und weiß heute genau, was ich für meine Zukunft will. Auch der Buddhismus hat seinen Teil dazu beigetragen. Ich bewundere diese friedvolle Religion in vieler Hinsicht. Das sind Erkenntnisse, die ich in Tibet aufnahm.

THOMAS HESSE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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