Hamminkeln Vogel nistet im fahrenden Traktor

Hamminkeln · Landwirt Klaus Schneider staunte nicht schlecht, als er in seinem Traktor ein Vogelnest entdeckte. Rotschwänze hatten diesen Ort als perfekte Kinderstube für den Vogelnachwuchs auserkoren.

 Dieser Rotschwanz hat sich einen besonderen Platz für die Aufzucht seiner Jungen ausgesucht - den Traktor. Im Motorraum brütete das Weibchen, jetzt bringt sie dem Nachwuchs frisches Futter.

Dieser Rotschwanz hat sich einen besonderen Platz für die Aufzucht seiner Jungen ausgesucht - den Traktor. Im Motorraum brütete das Weibchen, jetzt bringt sie dem Nachwuchs frisches Futter.

Foto: Bosmann, Jürgen (bosm)

Es gibt viele Orte, an denen man Vogelnester vermuten könnte. Der Innenraum eines Traktors gehört sicherlich nicht gerade dazu. Schon gar nicht, wenn es sich dabei nicht etwa um ein ausrangiertes, stillgelegtes Gefährt handelt, sondern um eine Landmaschine, die quasi täglich in Bewegung ist. Und so staunte der Hamminkelner Landwirt Klaus Schneider nicht schlecht, als er eines schönen Junimorgens hinter den Metallstreben im Motorraum seines Traktors auf der Batterie ein Vogelnest entdeckte. "Der Vogel muss das Nest übers Wochenende gebaut haben", sagt der Landwirt. Durch ein kleines Loch im Gitter der Abdeckung können die Vögel das Nest erreichen.

 Landwirt Klaus Schneider (l.) hat seinen Traktor weiterhin benutzt. Die Vogelmutter ist auf dem Nest, das auf der Batterie gebaut wurde (r.), mit aufs Feld gefahren.

Landwirt Klaus Schneider (l.) hat seinen Traktor weiterhin benutzt. Die Vogelmutter ist auf dem Nest, das auf der Batterie gebaut wurde (r.), mit aufs Feld gefahren.

Foto: Bosmann, Jürgen (bosm)

Klaus Schneider glaubt, dass es sich bei den Untermietern um Gartenrotschwänze handelt. Die Abgrenzung zum Hausrotschwanz ist allerdings nicht ganz einfach. Auch nicht für einen Experten. "Es ist auf jeden Fall ein Rotschwanz, ich tendiere aber eher zu einem Hausrotschwanz", sagt Paul Schnitzler von der Biologischen Station. Das sei aber, da die Aufnahme nur das bei beiden Arten fast gleich aussehende Weibchen zeigt, nicht eindeutig zu sagen. "Dafür müsste man das Männchen sehen", sagt der Experte.

 Landwirt Klaus Schneider (l.) hat seinen Traktor weiterhin benutzt. Die Vogelmutter ist auf dem Nest, das auf der Batterie gebaut wurde (r.), mit aufs Feld gefahren.

Landwirt Klaus Schneider (l.) hat seinen Traktor weiterhin benutzt. Die Vogelmutter ist auf dem Nest, das auf der Batterie gebaut wurde (r.), mit aufs Feld gefahren.

Foto: Bosmann, Jürgen (bosm)

Die Arten haben gemeinsam, dass sich beide Altvögel um die Aufzucht des Nachwuchses kümmern, sagt Schnitzler. Auch die Brutzeit variiert, wie bei den meisten Kleinvögeln, kaum. Sie beträgt gut zwei Wochen, sagt Schnitzler. Das gilt in etwa auch für die Aufzucht, bis die Jungtiere das Nest verlassen.

Dass solche Vögel an Treckern brüten, sei zwar generell nicht ungewöhnlich. Auch Brutplätze in Ampelmasten, Metallzaunpfählen und Co. suchen sich Kleinvögel aus. Viele Arten seien schmerzfrei und an den Menschen gewöhnt. Der Nestbau und das Großziehen der Jungvögel auf einem sich bewegenden Gefährt sei aber schon sehr ungewöhnlich, sagte Schnitzler.

Der Nestbau mit Gräsern etc. an dieser besonderen Stelle dauert nur wenige Tage und bringt Vorteile. Denn der Fiat 540, der in der Scheune seinen festen Parkplatz hat, bietet den perfekten Schutz vor Feinden aller Art - die könnten zwar das Nest hinter den Streben sehen, mehr aber auch nicht.

Die Vogelmutter, die ihr Nest während der Brutzeit so gut wie nie verlassen hat, ist in diesem Fall trotzdem viel rumgekommen. Denn der Landwirt hat den Traktor vorsichtig weiter benutzt. Zum Beispiel, um damit das Gemüse vom Feld zu holen. "Das Weibchen hat dann immer auf dem Nest gesessen und ist mitgefahren", sagt Schneider. Geschadet haben die Ausflüge den Jungtieren nicht. "Der Vogel hat sich beim Brüten nicht stören lassen", erklärt Schneider, der den Betrieb bereits in der dritten Generation führt. "Entweder sie sind drauf eingestellt, oder die Brut geht verloren", sagt Schnitzler. So sei der Lauf der Natur.

Im Fall der Rotschwänze ist es gut gegangen. Ende Juni seien die Jungtiere geschlüpft, sagt Schneider. Drei Stück waren es, die fortan hungrig die Hälse reckten, wenn die Rotschwanz-Eltern mit Futter im Schnabel zum Nest zurückkehrten. Als die Kleinen größer waren, haben die Altvögel den Nachwuchs allein auf die Fahrt im mobilen Vogelnest gelassen. Und dann am Hof mit frischem Futter auf die Rückkehr der motorisierten Kinderstube gewartet. Damit sind die kleinen Rotschwänze schon vor ihrem ersten Ausflug aus dem Nest rumgekommen. "Die kriegen was von der Welt zu sehen", sagt Schneider. Trotzdem hieß es, wie für jeden Nachwuchs: Flügge werden. Es passiert in diesen Tagen, sie stehen kurz vor dem "Abflug", sagte Klaus Schneider. Für den Landwirt heißt das: Die Fahrt findet nun wieder ohne blinde (Vogel-)Passagiere statt.

(RP)
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