Wesel/Hamminkeln/Schermbeck/Hünxe Von Chorknaben und Rudelsingern

Wesel/Hamminkeln/Schermbeck/Hünxe · Ein Phänomen: Das Rudelsingen erfreut sich großer Beliebtheit. Und wie sieht das beim Mitmachen im Chor aus?

 Singen ist in: Auch beim dritten Schermbecker Rudelsingen wurde wieder laut mitgesungen und geklatscht. Die Besucher konnten in lockerer Atmosphäre ein bunt gemischtes Karaoke-Programm erleben.

Singen ist in: Auch beim dritten Schermbecker Rudelsingen wurde wieder laut mitgesungen und geklatscht. Die Besucher konnten in lockerer Atmosphäre ein bunt gemischtes Karaoke-Programm erleben.

Foto: ekkehart malz

Immer mehr Menschen folgen dem Trend des Rudelsingens- auch in unserer Region. Doch wie geht es den ortsansässigen Chören? Profitieren sie vom Hype ums Singen oder kämpfen sie um den Fortbestand? Und singen Viele lieber einmalig Karaoke im Rudel als wöchentlich im Chor zu proben? Die RP sprach mit Vertretern von Chören aus der Region, mit überzeugten Rudelsängern und solchen, die es noch werden wollen.

Edmund Ramms war erster Vorsitzender des Männergesangvereins (MGV) Rheinklänge Bislich. Im Januar 2013 gaben die Rheinklänge ihr Abschlusskonzert. Nach 80 Jahren erfolgreicher Chorarbeit mussten sie das Feld räumen. Es waren nur noch 16 Sänger übrig geblieben, erzählt Edmund Ramms. Alle Bemühungen, Nachwuchs zu motivieren, blieben erfolglos. "Für den Männergesang werden Stimmen erst interessant, wenn der Stimmbruch durchlaufen ist. Junge Menschen haben sich dann aber bereits orientiert und Hobbys gefunden", glaubt Ramms. Deswegen verabschiedeten sich die letzten 16 Sänger mit einem fulminanten Konzertabend. Sie treffen sich aber noch einmal monatlich und schmettern gemeinsam ein paar Lieder. Im Chor singen viele aber weiterhin. Sechs, darunter auch Edmund Ramms, in Mehrhoog und drei in Hiesfeld.

Anders sieht es beim MGV Bleib treu aus Hamminkeln aus. Trotz bedenklichen Altersdurchschnitts, bleiben über 40 Aktive weiterhin treu, berichtet Wolf-Dieter Korthauer, der im Vereinsvorstand tätig ist. Natürlich müsse man auch hier an die Nachwuchsarbeit denken. Deswegen hat sich der Vorstand bereits zusammengesetzt und arbeitet an Konzepten. Genaueres steht noch nicht fest. Korthauer glaubt aber, dass eine kontinuierliche Chorarbeit für Viele zeitlich nicht mehr möglich ist. "Gerade jüngere Leute haben bereits zeitintensive Hobbys, treiben zum Beispiel Sport und sind beruflich sehr eingespannt. Ein weiterer Abend außer Haus ist dann vor der Familie nicht mehr zu rechtfertigen", sagt er. Wer gerne singt, kann dann natürlich lieber einmal unverbindlich zum Rudelsingen gehen, anstatt sich dauerhaft zu verpflichten. Ein Zuschauerproblem hat der Chor jedoch nicht: "Unsere Konzerte sind gut besucht. Zum Mitmachen zu Motivieren, das ist die größere Herausforderung", meint Wolf-Dieter Korthauer.

Ähnliches weiß auch Birgit Heiermann, Vizevorsitzende des Frauenchor Drevenack, zu berichten. Natürlich sei es nicht so leicht, Leute zu binden, aber es gibt etwa 40 sehr aktive Sängerinnen. Besonders erfreulich ist, dass hier Jung und Alt bunt gemischt zusammen singen. In diesem Jahr feiert der Chor sein 40. Vereinsjubiläum und auch Chorleiter Hans Dieter Rohde ist schon so lange an Board. Birgit Heiermann glaubt an ein Erfolgsrezept: Bei Konzerten soll mit guter gesanglicher Qualität geworben werden und der Chor muss immer offen für neue Sängerinnen sein. Wer sich willkommen fühlt, bleibt. "Wir sind glückliche Sängerinnen", resümiert die stellvertretende Vorsitzende.

Neue Töne schlägt der Gospeltrain der evangelischen Kirchengemeinde Wesel an. Hier singen drei Generationen im Alter zwischen 14 bis 84 gemeinsam. Mit seinen etwa 50 Sängerinnen und Sängern ist Chorleiter Jürgen Bauer sehr glücklich. Er glaubt, dass der Erfolg aber nicht nur dem Singen zuzuschreiben ist, der Gospelgesang nehme auch Körper und Seele mit. In der Nachwuchsarbeit sei es wichtig, von vorneherein offen zu sein und an Jugendliche heranzutreten. "Wenn man erst einmal feststellt, dass der Chor sehr alt geworden ist, ist es beinahe unmöglich, noch junge Leute ins Boot zu holen", meint Jürgen Bauer. Deswegen bietet der Chor Schnupperproben an und ist auch öffentlich in Form von Auftritten präsent. Rudelsingen könne, so Bauer, die Gemeinschaft eines Chores nicht ersetzen: "Viele Leute pflegen im Chor auch soziale Kontakte." Das könne die Anonymität des Rudelsingens nicht bieten.

Beim MGV Bleib treu beginnt die Probe mit einem Einsingen, dass sich aus Stimm- und Atemübungen zusammensetzt. Anschließend probt der Chorleiter stimmweise mit den Laien, erzählt Wolf Dieter Korthauer. Beim Rudelsingen ist das anders. Ein Aufwärmen ist nicht nötig, sagt Veranstalter David Rauterberg beim dritten Rudelsingen in Schermbeck (siehe Text unten). Ein rundum vergnüglicher Abend - das schätzen die Rudelsinger.

Viele erzählen, dass sie sehr gerne singen. Doch sie glauben nicht, ausreichend Talent für den Chor zu besitzen. "Beim Rudelsingen kommt es nicht so darauf an", erzählt Karola Averbeck, die zum Autoradio immer laut mitsingt. Aber auch die terminliche Einschränkung wäre vielen beim Chorgesang zu groß. Es fehlt einfach die Zeit, wöchentlich zur Probe zu kommen und zusätzlich Auftritte am Wochenende wahrzunehmen.

(RP)
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