Niederrhein/Usedom Vor Usedom gestrandet - die Fähre ist verkauft

Niederrhein/Usedom · Ein Bio-Bauer aus Ostdeutschland hat die "Martin Schenk" gekauft. Er will zwischen Usedom und Görmitz pendeln.

In erster Linie verkauft Rolf Hoffmann Wasser oder Strom - und das mit beachtlichem Erfolg. Dass er auch Fähren kann, hat er jetzt bewiesen. Seit Monaten liegt die "Martin Schenk" regungslos herum, nachdem die Fahrten zwischen Düffelward und Schenkenschanz eingestellt wurden. Hoffmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Kleve, hat das Wasserfahrzeug an einen Bio-Bauern veräußert. Wenn auch zu einem Preis, den mancher eher in die Kategorie "Schnäppchen" einsortieren dürfte. Doch, wie stellt Hoffmann selbst richtig fest: "Eine Fähre verkauft man nicht jeden Tag." Das muss er wohl auch nicht mehr. Zunächst war der Landkreis Straubing-Bogen an dem Fährschiff interessiert. 50.000 Euro wollten die Bayern zahlen. Man überlegte lange und entschied sich für eine neue, die 850.000 Euro kostete. "Gemeldet haben sich mehrere potenzielle Käufer. Doch passte nicht immer alles. So kann die Fähre nur in bestimmten Gewässern fahren oder nicht überall anlegen", sagt Hoffmann. So reduzierte sich der Kreis der Interessenten ständig. Bis dann der Mann aus dem Osten kam: Karl Matthes (51) ist Bauer und braucht unbedingt eine Fährschiff. Er züchtet Rinder auf einer Insel in der Ostsee, die direkt neben Usedom liegt. Die Insel heißt Görmitz. Matthes hatte sie 2012 gekauft.

Der Rinderzüchter scheint ein entscheidungsfreudiger Mensch zu sein. Ohne einen Blick auf die "Martin Schenk" geworfen zu haben, wollte er das Gefährt am Telefon kaufen. Das entspricht jedoch nicht dem Finanzgebaren von Stadtwerke-Chef Hoffmann, denn: "Unser Geschäftsstil ist ein anderer." So kam Matthes kurz vor Weihnachten nach Kleve. Warf einen Blick auf die Fähre und blieb eine Nacht. "Ich hab' da in so einem Glaspalast übernachtet", sagt der Bio-Landwirt. Der Verkauf ist durch einen Notar besiegelt. Hoffmann wollte zum Kaufpreis nichts sagen, da Stillschweigen vereinbart worden war. Bei der Vereinbarung war der Bio-Bauer offenbar nicht dabei: "71.000 Euro habe ich gezahlt."

2003 hatten die Stadtwerke das Wasserfahrzeug für 500.000 Euro angeschafft. Ein treuer Gefährte war sie kaum. Zumindest in den ersten zwei Jahren nicht, als sie mehr stand als fuhr. Für 200.000 Euro wurde damals schließlich der komplette Antrieb überholt, den jedoch die Werft zahlen musste. "So etwas brennt sich natürlich in das Gedächtnis der Leute ein", sagt Hoffmann rückblickend. Er ist froh, dass die Akte geschlossen werden kann.

Mindestens ebenso freut ist der Rinderzüchter über seinen Kauf. Es sei ein Schmückstück, so der Ostdeutsche. Matthes braucht die Fähre, um auf seine Insel zu kommen, da er selbst einen Damm aufgrund einer Renaturierungsmaßnahme weggenommen hat. Das Wasser sollte sich vor seiner Insel wieder bewegen. Der Damm war die einzige feste Verbindung. Da zu bestimmten Zeiten das Wasser nicht sehr tief ist, konnte der Biolandwirt mit einem Unimog die Tiere hin- und herfahren. 180 Jungrinder leben frei auf seiner Insel. Insgesamt besitzt er 1200 und ist einer der erfolgreichsten Rinderzüchter in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Insel von Karl Matthes, der auch "Rinder Karl" genannt wird, ist ein Naturschutzgebiet. Der 51-Jährige will hier ein Ferienparadies aufbauen. Sechs Häuser sollen demnächst auf der 100 Hektar großen Insel stehen. Alles im Einklang mir der Natur, so Matthes.

Noch liegt die "Martin Schenk" an ihrem alten Platz. Sie kann derzeit nicht abgeholt werden, da der Wasserstand zu niedrig ist. Der Bio-Landwirt rechnet damit, dass es noch zwei bis drei Monate dauert, bis der Pegel hoch genug ist.

Zunächst soll auf dem Weg nach Usedom der defekte Antrieb in einer niederländischen Werft repariert werden, dann wird das Wasserfahrzeug über verschiedene Kanäle und Flüsse in seine neue Heimat gezogen. Wenn die Fähre dort angekommen ist, wird zweifellos mehr von ihr gefordert als am Niederrhein. Bislang hatte sie die Strecke von einem Steinwurf zu überbrücken. Doch schon das bereitete ihr Mühe und sorgte regelmäßig für Standzeiten.

An ihrem neuen Einsatzort muss die Fähre 600 Meter über die See. "Und hier kann es auch ordentlich stürmen", sagt Karl Matthes. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Die Verträge sind gemacht. Alles Gute, "Martin Schenk".

(jan)
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