Welttag des Buches Warum der Postbote Bücher verschenkt

Wesel · Gerhard Hermsen, Zusteller in der Weseler Innenstadt, überraschte gestern 20 seiner Kunden mit tollem Lesestoff von Krimi bis Komik. Seine Art, freundlichen Türöffnern zum Welttag des Buches Danke zu sagen, kam prima an.

Tagtäglich bringt Gerhard Hermsen jede Menge Lesestoff von Tür zu Tür. Meist ist es Gedrucktes. Handschriftlich verfasste Briefe sind mittlerweile die Seltenheit. Seit 45 Jahren macht Hermsen das. Der gebürtige Mettmanner (59) fing 1969 mit 14 Jahren als Postjungbote in Wesel an. Heute ist er damit hier der dienstälteste Zusteller.

Dass er seine Kundschaft in und auswendig kennt, liegt auf der Hand. Nicht bei allen Mehrfamilienhäusern kommt er nach dem Schellen problemlos in den Flur, um die Briefkästen zu bestücken. Aber in vielen. Und meist sind es immer die selben Menschen, die ihm öffnen. 20 von ihnen dankte Gerhard Hermsen gestern mit einem Titel aus der Bestsellerliste.

"Das finde ich ja gut", sagt Vanessa Evertz. "Wir freuen uns jeden Tag auf ihn. Er ist immer gut gelaunt." Im Januar hat die 27-jährige Friseurmeisterin den Salon ihres Vaters an der Brandstraße übernommen. Damit Hermsen flott in den Flur kommt, lässt Evertz ihn durchs Geschäft ins Haus. Beim Blick in sein Postwägelchen ist Evertz' Buchwahl flott getroffen: "Traumsammler" von Khaled Hosseini.

Ein paar Meter weiter, am Haus Brandstraße 14, drückt Hermsen ohne viel zu überlegen auf den Klingelknopf von Katharina Olejak. Wie erwartet, öffnet die 66-Jährige, die seit 13 Jahren hier wohnt, für den Zusteller die Tür. Auch sie ist angenehm überrascht. Obwohl sie eigentlich gar nicht viel liest, greift sie zielsicher nach "Da geht noch was" von Christine Westermann. Die kennt sie aus der TV-Sendung "Zimmer frei" mit Götz Alsmann.

Hermsens Ziel, mit dem Buch Danke zu sagen und die Lust aufs Lesen zu fördern, ist hier ebenso erreicht wie bei Ingrid Hansen (69) auf dem Dudel. Auch diese verlässlicher Türöffnerin wählt Westermann aus. Das Buch hätte sich die begeisterte Leserin und Nutzerin der Stadtbücherei sowieso besorgt.

Gerhard Hermsen, seit acht Jahren im Innenstadt-Bezirk unterwegs, hat seinen Spaß der gelungenen Aktion. Die ist eingebunden in Lese-Initiativen zum heutigen Welttag des Buches. 20 000 interessierte "Schenker" konnten sich online bei der Aktion "Lesefreunde" für Buchpakete bewerben. Rund 50 000 machten mit. Also gingen viele leer aus, darunter zahlreiche Postboten wie Gerhard Hermsen. Die hat das Unternehmen Post als Partner der Aktion (siehe Infobox) nun selbst mit Schmökern versorgt.

Früher, so sagt Hermsen, hat auch er gern viel gelesen. Aber bei drei Kindern und einem Hund im Haus sei es mit der Ruhe, die man für ein Buch brauche, dann doch vorbei gewesen. Beim Schellen hat er übrigens eine bestimmte Methode. Mit Sendungen auch für den Öffnenden ruft er dann nur "Post" in den Flur. Ist für den Betreffenden nichts dabei, heißt's "Post, danke". Dann weiß derjenige, dass er nicht runterkommen muss, sagt Hermsen.

(RP)
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