Kreis Wesel Warum eine Muslima evangelisch wird

Kreis Wesel · Schon bald wird Gülem Yozcu (33) sich taufen lassen. In dieser Woche hat sie Pfarrer Martin Gres in der Scherpenberger Kirchengemeinde besucht. Sie fühlt sich dem christlichen Glauben näher als dem Islam.

 Pfarrer Martin Gres wird Gülem Yozcu schon bald taufen - die 33-jährige Muslima konvertiert zum christlichen Glauben, dem sie sich näher fühlt.

Pfarrer Martin Gres wird Gülem Yozcu schon bald taufen - die 33-jährige Muslima konvertiert zum christlichen Glauben, dem sie sich näher fühlt.

Foto: Klaus Dieker

Gülem Yozcu ist eine mutige junge Frau. Demnächst wird sich die 33-jährige Muslima, deren Eltern aus der Türkei stammen, in einer Moerser Kirche taufen lassen. Pfarrer Martin Gres von der evangelischen Kirchengemeinde Scherpenberg wird die Zeremonie vornehmen. "Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Muslima taufe", bekennt der Pastor. Doch für seinen Täufling ist der Schritt noch sehr viel größer: Im Islam gilt der Abfall vom Glauben als Todsünde.

Yozcu hat davon gehört. Angst hat sie dennoch nicht. "Klar gibt es muslimische Freunde, die mich fragen, warum ich so was mache. Radikale Muslime kenne ich aber gar nicht." Zudem hat die 33-Jährige nie eine innere Beziehung zum Glauben ihrer Eltern aufbauen können. "Eine Moschee habe ich als Kind vielleicht ein- oder zwei Mal von innen gesehen. Meine Eltern waren nicht so strenggläubig."

Dafür war sie umso häufiger zu Gast bei katholischen Gottesdiensten. "Das kommt daher, dass ich in meinem Heimatort Heiligenhaus in einen katholischen Kindergarten gegangen bin. Und später in der katholischen Grundschule war der Besuch des Gottesdienstes sogar Pflicht." Diese frühe kirchliche Sozialisation erspart Yozcu mehrere Stunden Taufunterricht, wie er ansonsten bei der evangelischen Landeskirche im Falle von Konversionen vom Islam üblich ist.

Wie Pfarrer Markus Schäfer vom Landeskirchenamt berichtet, sind Konversionen von Muslimen zum christlichen Glauben in Deutschland inzwischen an der Tagesordnung. "Allein in der vergangenen Woche habe ich drei Anfragen bekommen." Auch wenn es kein zentrales Taufregister gibt, das zuverlässige Zahlen liefern könnte, ist Schäfer überzeugt, dass in Deutschland mehr Muslime zum Christentum übertreten als Christen zum Islam. Eine nicht unbedingt selbstverständliche Entwicklung. Während der Übertritt vom Christentum zum Islam relativ einfach ist - der Gläubige muss lediglich im Beisein von Zeugen die Gebetsformel "Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt und Muhammad Sein Diener und Gesandter ist", aussprechen - ist der Übergang zum Christentum eine wesentlich langwierigere Prozedur. Neben dem rituellen Akt der Taufe selbst wird eine Unterweisung in die christliche Lehre erwartet. Das verhindert nebenbei auch in vielen Fällen, dass zum Beispiele Flüchtlinge den Glauben wechseln, weil sie hoffen, so einer Abschiebung zu entgehen. In der Regel, so Schäfer, wechselten auch Flüchtlinge wegen ihrer inneren Überzeugung den Glauben. Etliche hätten sich schon in ihren Herkunftsländern durch das Christentum angezogen gefühlt, aber gezögert, den letzten Schritt zu gehen.

"Der Islam", berichtet Schäfer, "kennt keine Religionsfreiheit, für uns hingegen ist gerade die Freiheit im Glauben sehr wichtig." Aktive Missionsarbeit unter Muslimen, so Schäfer, würden die großen christlichen Konfessionen indes nicht betreiben, auch um die guten Beziehungen zu den muslimischen Gemeinden nicht zu gefährden.

Schäfer hat schon häufig gehört, dass Muslime, die konvertieren, von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt werden. "Das kann so weit gehen, dass Freunde oder Familienangehörige den Kontakt abbrechen." Allerdings hat er von tätlichen Angriffen, abgesehen von Attacken in Flüchtlingsheimen, noch nicht gehört.

Solche Probleme hat Gülem Yozcu nicht. Ihr Freundeskreis umfasst Muslime, evangelische, katholische und orthodoxe Christen. "Die islamische Lebensweise ist mir fremd", erzählt sie. "Da fragt man sich irgendwann, wozu man dann eigentlich gehört." Warum sie sich an einen evangelischen und nicht an einen katholischen Pfarrer wandte, kann sie letztlich nicht schlüssig erklären. "Das war eher so ein Gefühl", sagt sie.

Yozcu berichtet, dass sie viele Menschen mit ähnlichen Lebensgeschichten wie ihrer kenne, denen es nicht viel anders gehe. "Etliche davon überlegen, den gleichen Schritt zu tun, den ich jetzt gehe. All denen will ich Mut machen."

(RP)
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